Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 22.03.2016 16:21 Uhr
Thema: "Space Jam" (Netflix) Antwort auf: Noch schärfere Filme: Uber-HD Empfehlungen für Fans von Sascha
Ich hatte gestern beim Anschauen eine erheblich größere Freude daran, mir eine Welt vorzustellen, in der "Space Jam" bei der Oscar-Verleihung 1997 richtig groß abgeräumt hat und als bewegendes Melodram über Sklavenhandel mit 12 Academy Awards ausgezeichnet wurde; Michael Jordan für die beste männliche Hauptrolle, Christian Weston Chandler für das beste Original- UND adaptierte Drehbuch (Wie das geht? Who knows!), Larry Bird als bester männlicher Nebendarsteller, Lola Bunny für die beste weibliche Hauptdarstellerin, beste visuelle Effekte, bester Tonschnitt, bester Schnitt, beste Kamera, die Quad City DJs mit dem Best Original Song "Welcome To The Space Jam", bester Animationsfilm und natürlich bester Film.

"Space Jam" beginnt mit einer Szene, die sich in der Realität genauso zugetragen haben muss: Der kleine Michael Jordan übt im elterlichen Garten den Korbballsport, wobei dessen Vater ihn beobachtet, nach draußen tritt und ihm eine wichtige Lektion beibringt: "Michael, do you know what the most important thing in life is? That's right, son: Branding!" Der Rest ist Geschichte!

Der Film ist 90er Jahre bis zum gehtnichtmehr und bietet ein gar erquickliches Füllhorn an dezidierten Nicht-Schauspielern, die teilweise wirklich sehr seltsame Sachen spielen müssen, to hilarious effect.

Nachdem man bei Warner Brothers gemerkt hat, dass sich aus irgendwelchen Gründen T-Shirts mit Daffy Duck und dem Tasmanischen Teufel anfang der 90er sogar an Erwachsene wie bekloppt verkauften, und unter der Annahme, dass man einfach nur zwei Sachen kombinieren muss, die die Menschen lieben (Looney Tunes und, interessanterweise, Michael Jordan) hat man eigentlich schon alles zusammen um die Geldmaschine anwerfen zu können. Nicht, dass sie keinen Erfolg damit hatten; Space Jam war afair ein Kassenerfolg. Umso verblüffender, zumindest wenn man Space Jam nicht gesehen hat, dass da nicht mehr Profit in Form von Sequels rausgeschlagen wurde. Ja, sogar, Schockschwerenot, Michael Jordan seinen ersten UND LETZTEN Auftritt als Schauspieler vor der Kamera hatte! Ja sowas!

Michael Jordans Position in der öffentlichen Wahrnehmung lässt sich vergleichen mit Michael Schumacher (vor dem Unfall): Respektiert, aber nicht geliebt. Ein Ehrgeizling und Unsympath, der mit seiner verbissenen, erfolgsgeilen Art Kollegen und auch Fans nervt und menschlich komplett unnahbar bleibt. Dazu passt, dass Michael Jordans Familie komplett von Schauspielern gespielt wird, die ihn allesamt, auch und gerade die Kinder, en passant an die Wand spielen und ergo sehr, sehr wenig gemeinsame Szenen haben (Mit gutem Willen zweieinhalb). Auch gibt sich der Film große Mühe, möglichst lange hinauszuzögern, Jordan selbst vor die Kamera zu lassen, um dann möglichst schnell sich auf andere Figuren konzentrieren zu können.

Das kann allerdings nicht verhindern, dass Jordan ab dem zweiten Akt den gesamten Film tragen muss, und das, da er nur mit animierten Cartoons spielt, komplett alleine. Als Nicht-Schauspieler.

Oh boy.

Der Film versucht, sich um das Dilemma, dass Jordan ungefähr so gut schauspielen kann wie Berti Vogts, so herumzumogeln, als dass er dessen Interaktionen mit den Looney Tunes so gut wie möglich auf Grimassenschneiden und reaction shots seitens Jordan konzentriert, was dazu führt, dass Jordans Szenen mit den Looney Tunes unglaublich hektische, komplett unmotiviert und geistlos hektische Szenen sind, in denen er ohne Sinn und Verstand durch die Greenscreen-Luft gewirbelt wird und dabei Grimassen schneiden muss oder halt eben zeigt, wie toll er Basketball spielen kann.

Ein Plot existiert nur in Filamenten. Jordans Baseballkarriere kann nichtmal der FIlm "Space Jam" ernstnehmen; ein ausserirdischer Geschäftsmann ist sauer weil sein Space-Phantasialand nicht gut läuft und entschließt sich dazu, die Looney Tunes zu entführen oder, wie der Film es ständig formuliert, zu "versklaven" und als Attraktionen zu benutzen; Bugs Bunny schafft es mit einer "List" (Und ich benutze den Begriff hier im größtmöglich großzügigen Sinne) sie dazu zu bringen, das ganze mit einem Basketballmatch zu klären; die Monster klauen die Kräfte von NBA-Stars woraufhin die Looney Tunes Michael Jordan entführen, Basketballspiel, Ende.

Das Basketballspiel nimmt dabei den größten Raum ein, ungefähr die Hälfte der neunzigminütigen Laufzeit, was selbst für Sportfilme ungewöhnlich ist - zumal das spiel auch keiner für den Zuschauer nachvollziehbaren Dramaturgie folgt (Zur Halbzeit steht es "Kind of one-sided" zu "???" für die bösen "Monstars", dann wieder 66:22, also wurde der Punktestand... runtergesetzt? Häh?), was die Spaßvögel von "Harvard Sport Analysis" mal dazu motivierte, das Spiel auseinanderzuklamüsern:

[https://harvardsportsanalysis.wordpress.com/2011/03/22/regressing-compiling-the-absurd-box-score-for-space-jam/]

"Blanko, the Shawn Bradley Monstar, failed to register a single stat throughout the course of the game. Even in a world where Elmer Fudd has a 40-inch vertical, Bradley’s “talent” can’t muster even a shot attempt. This is the most realistic aspect of the movie."

Auch das Basketballspiel ist eine kopfschmerzinduzierende Geduldsübung für alle Menschen jenseits des achten Lebensjahrs; ich hatte den Film seinerzeit sogar im Kino gesehen und war total vereinnahmt von der perfekt geölten Marketingmaschine, die einem Space Jam als grandiosen Shit verkauften (Und aus dem zwei der größten Hits für jeweils Seal und R. Kelly aus dem Soundtrack entsprangen).

Die Realität ist, dass der Film einfach Scheißdreck ist. Das Basketballspiel als Centerpiece ist ebenso wirr und hektisch wie alle Szenen mit den Looney Tunes, die dermaßen viel Kredit haben, dass selbst ihre sichtbar digital (und schäbbig) animierten Neufassungen beim abnudeln ihrer Standardaktivitäten (Sylvester will Tweety essen) bei einem Menschen mit einem Herz aus Teer und Pech sofort ein Schmunzeln auslösen, dem man sich einfach nicht erwehren kann, aber die superschnell in ihrer Gesamtheit nerven. Es gibt popkulturelle Anspielungen auf "Patton" und "Pulp Fiction" und mindestens zwei seltsam deplaziert wirkende Pimmelwitze, was nunmal sehr strange wirkt in einem Film für Kinder, denen weder Bugs Bunny in Uniform vor einer gigantischen Amerika-Flagge, noch Yosemite Sam und Elmer Fudd als Vincent Vega und Jules Winnfield groß was sagen dürften. Noch, in welchen anderen Bereichen Patrick Ewing nach dem Verlust seiner "Kräfte" nicht mehr "performen" kann, wie ein Psychiater in einer Szene nachbohrt, die wie einige andere wohl im "NBA Institute of Medicine" spielt, wo Ärzte nachforschen, warum Muggsy Bogues, Pat Ewing und Charles Barkley, Gewinner der Palme d'Or für seine Rolle in "Space Jam", alle nicht mehr Basketball spielen können.

Als Michael Jordan beim Golf DURCH DAS LOCH IM GOTTVERDAMMTEN PLATZ GEZOGEN wird, gehen seine Mitspieler Larry Bird und Bill Murray einfach achselzuckend nach Hause. Jordans eigene Familie scheint erst ca. 48 Stunden später von dessen verschwinden zu erfahren, während in der ersten Nacht seiner Abwesenheit Bugs Bunny und Daffy Duck in deren Haus einbrechen. Auch da musste ich mir vorstellen, wie die beiden wohl innerhalb weniger Sekunden von Jordans Security Detail erschossen werden würden, oder wie die Kinder reagieren, wenn von ihnen geliebte Zeichentrickfiguren etwas offensichtlich böses machen wie bei dir zu Hause einbrechen, im Shit deiner Eltern rumkramen und dann Zeug von deinem Vater zocken (Sie helfen tüchtig mit!). Da fehlt mir wohl der Zugang zur kindlichen Psyche, inwiefern man in dem Alter seinen Lieblingen aus dem Fernsehen bei einer Straftat zur Seite stehen würde.

Der Film schafft es nichtmal, Jordan als Motivator für voll zu nehmen; seine flammende ("flammende") Halbzeitansprache endet damit, dass die ganzen Looney Tunes einpennen. Erst als Bugs Bunny Leitungswasser in eine Flasche füllt und als "Michaels SPECIAL STUFF" anpreist, trinken die anderen Cartoons gierig davon und fühlen sich wieder stark.

Was einfach ein stranger "Witz" ist. Ist das jetzt eine Anspielung auf Doping? Muss da jemand etwa NICHT bei "Michaels Special Stuff" an Sachen wie "Butter's Creamy Goo" denken? WTF is this shit?

Naja, irgendwann war der Film jedenfalls vorbei, nachdem nochmal an die Versklavung von His Airness himself gemahnt wird macht Jordan einen Mega-Dunk von der Mittellinie aus, bei der sein Arm Dhalsim-Mäßig lang wird und die Kugel einnetzt, tadaa, sieg, alle happy, Jordan macht sein BBall-Comeback, alle happy. THAT'S ALL, FOLKS!

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 22.03.2016 16:37 bearbeitet.***
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