Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 04.03.2016 19:22 Uhr
Thema: Re:Ich halte "Wurst" für ein eigenständiges Wissensgebiet Antwort auf: Re:Ich halte "Wurst" für ein eigenständiges Wissensgebiet von Don Cosmo
>>Andouille. Davon gibt es auch noch Varianten, und durch die französische Kolonialgeschichte vom Süden der USA bis Afrika verbreitet.
>
>Schaut interessant aus, habe jetzt aber nicht rausgelesen, wie man die so zubereitet.


Innereien waschen und ineinanderstopfen, bis man Wurst hat. Bei dem Foto sieht man von aussen schon ganz gut, wie's vorher gelaufen sein dürfte:

[https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Andouille#/media/File:Andouille_creole_P1190465.jpg]

Also, meine Portion kannste gern haben.

>Die Engländer frittieren ja auch gerne mal Scheiben von irgendsoner dicken Wurscht.
>
>>Nein. Blutwurst ist in den USA kaum verbreitet und nicht wirklich zu bekommen. Briten kennen ja "Blood Pudding", was in Deutschland auch existiert, ich komm grad nicht auf den Namen.
>
>Sülze?


Nä. "Berliner Topfwurst" wurde das mal in der Uni-Mensa genannt. Einfach so ein Kleks Blutwurstbrei-Schlabber mit Salzkartoffeln und Sauerkraut. Hat geschmeckt nach zweitem Weltkrieg und Entbehrung. Den Usern aus den neuen Bundesländern dürfte das Gericht auch als "Tote Oma" bekannt sein.

>Ich mag Sülze. Boooah, ne Scheibe über heiße Brat-tartuffeln und da den Glibber schön zerfließen lassen. Juhui! Ist Sülze eigentlich ne Wurst oder ist das zu groß?

Sülze ist Sülze, also im weitesten (und auch im engeren) Sinne eine Terrine. Also ein zu stürzendes, kalt gereichts Gericht als Nebengang oder Vorspeise, für Canapees und sowas. In Scheiben geschnitten. Sehr jahrhundertwendemäßiges Gericht, nicht sehr trendy. Die 50er haben's übertrieben, als plötzlich Hausfrauen eingeredet wurde, sie müssten jeden Scheiß in Gelantine packen, bspw. auch Salate und dergleichen. Ich will gar nicht wissen, wie viele Leute sich von sowas ne Lebensmittelvergiftung geholt haben. Ein sehr unbeliebtes Gericht in der heutigen Zeit. Aber das passt zu dir, dieses kalte, gallerthafte! Ich hab gestern gelesen, was Thomas Bernhard zu Beouf Tartare (schön mit Ei, Zwiebelchen und Kapern) geschrieben hatte, das war schon krass. Ein brachiales, schleimiges, in jeglicher Hinsicht rohes Gericht voller Geburts- und Urschleimsymbolik. Bernhard war ja eh ein rechter Sunnyboy, aber das Hack hat ihn natürlich besonders an den Tod erinnert und an totale Vernichtung. Totale Vernichtung von Muskelfleisch, und das dann so mitm Löffel sich reinschieben (Bernhardt mochte das Gericht).

>Also nicht die Tellersülze, gibt doch beim Metzger immer große Scheiben...
>
>>"Natürliche Vorkommen" existieren nur in der kreolischen Küche, und die greift auf die französischen Varianten und Servierarten von Blutwurst zurück, gemischt mit den Einflüssen der afrikanischen Tropenregionen.
>
>Du kannst mir hier nicht nur so nen Mix aus Infos vor die Füße göbbeln und meinen, daß ich dann weiß, was Du meinst. Was futtern denn die Tropen-Schwatten für Worscht?


Halt eventuell unter anderem französische Varianten von Blutwurst. Hauen da halt Chili rein oder so, what do I know. Kreolische Küche finde ich extrem widerlich. Aber es existiert. In Amerika wirst du sie jedenfalls nur im äußersten Süden/Südosten finden.

>>Leberwurst können auch echt nur Knödeldeppen mit Kraut essen, nebenbei bemerkt. Apfelmus und Kartoffeln.
>
>Habs auch schon mal in Köln gegessen, Himmel-und-Erde. Da war die Blutwurst IIRC in der Pfanne gebraten


Janz jenau.

>und nicht diese Variante, die es in Bayern gibt und im heißen Wasser erwärmt wird.

Baaaaaaaaaah.

>Aber ... schmeckt super mit Sauerkraut, dazu Schupfnudeln!

Whatever flows your boat. Ich finde die Mischung aus Süß, sauer, Salzig, fettig zusammen mit den Kartoffeln, idealerweise zerstampft und mit dem Apfelmuß und dem Brät der Bratwurst vermengt, äußerst exzellent und ein typisches Beispiel für deutsche Landküche mit aromatischer Komplexität. So ähnlich wie man in der Pfalz zu Kartoffelsuppe immer Zwetschgenkuchen isst sieht man da ganz gut, wie Leute, die echt nur sehr limitiert Ahnung von Kochen hatten (Ma ehrlich) pragmatisch von selber Abwechslung in die Küche brachten und nicht immer nur Matsche mit Zeugs mampften. Nicht, dass ich jemals in meinem Leben Bock darauf haben werde, Zwetschgenkuchen zu Kartoffelsuppe zu essen, ich hasse Zwetschgenkuchen. Aber, grundsätzlich, smart thinking.

>>Aber ihr habt ja auch keine vernünftige Blutwurst. Hat in Berlin auch keiner, also sei beruhigt: Das Leben straft uns in gleichem Umfang.
>
>So eine meine ich, die linke hier:
>[https://t2.ftcdn.net/jpg/00/71/95/65/240_F_71956544_A2xRnwe9FqkfPmUSd94RSzidadBFnC5o.jpg]


Ah naa. Kasseler gern, blaue Zipfel gern, aber gekochte Blutwurst... naja, in Bayern würd ichs machen. Die stehen bei mir nicht in Verdacht, total abartige Sachen mit Essen anzustellen.

Oh, random factoid: Die sogenannte "Rumfordsuppe", ein Gemisch aus Graupen, zermahlenen gelben Erbsen und nachher, um Geld zu sparen, Kartoffeln war eine in München erfundene Armenspeise, die sich von dort aus über ganz Europa ausbreitete als Lösung für die großstädtische Elendsproblematik. Das muss eine widerliche schlotze sein, was ich aber faszinierend fand war, dass ihr Erfinder, ein gewisser Dingsbums Thompson (Er hieß wirklich "Dingsbums", kein Scheiß!), zuerst das Mißtrauen auch der bayrischen Landbevölkerung gegenüber der Kartoffel abbauen musste.

Klar, Kartoffeln sind eine Kulturpflanze aus der "neuen Welt", aber zu der Zeit schon seit mindestens zwei, drei Jahrhunderten in Europa angebaut. Da allerdings Friedrich der Große mit der Kartoffel verbunden wurde, so meine Herleitung, war das einfach ganz profaner Preißnhass, mit dem die Bayern hier zu kämpfen hatten. Es ist wirklich, wirklich lustig und so ein typisches Beispiel für Bayern in meinen Augen. Fucking Kartoffeln, the dreaded devil weed!

"Mei, wo'mers hoit probiert hoam, hoats hoit g'schmeckt, wos wuist moch'n!"

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>>Wenn Blutwurst da erwähnt wird, dann, um einen ersatzbegriff für eine zu spezifisch amerikanische Redewendung zu finden.
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>Also Annie und Bill reden über das Murmeltier und Bill findet es halt Mist. Dann macht Annie das Murmeltier nach, Bill sagt, sie sieht bescheuert aus. Darauf sagt Annie: "It's nice! People just like it!" Oder so. Daraufhin sagt Bill: "People are morons! People like blood sausage! Do you want some blood sausage, there must be some left in the glove compartment!" So in der Art.


Ad-libbing. Es ist ja nicht so, als wäre den Amis das Konzept von Blutwurst nicht geläufig, sie essen sie nur halt nicht. Wir kennen ja auch hundertjährige Eier, aber bei EDEKA kriegt man sie schwer. Oder auch sonstwo.

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>>Ich kann mich jetzt spezifisch nicht an die Szene erinnern, aber es wird dann wohl irgendeine Räucherwurst sein. Groundhog Day spielt im mittleren Westen, weit weg vom warmen Louisiana.
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>Denke mal auch, daß das was anderes ist, deswegen frage ich ja den Wurst-King. Aber wahrscheinlich gibt es schon im deutschen Nord-Süd-Gefälle Unterschiede bei der Blutwurst.


Auch im West-Ost-Gefälle. Aber in Schleswig-Holstein gabs tatsächlich keine vernünftige Blutwurst. Dafür komische Pampegerichte mit Preiselbeeren, brrrak. Skandinavische Küche ist auch echt das letzte. Fuck that.

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 04.03.2016 19:24 bearbeitet.***
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