Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 02.03.2016 12:29 Uhr
Thema: Re:Politik ist ein spannendes Thema für Jedermann Antwort auf: Re:Politik ist ein spannendes Thema für Jedermann von Liyah
>>So Topcheckertum, gerade zu Wahlen in anderen Ländern, macht mich immer grundsätzlich skeptisch. Man macht es sich da oft einfach, die eigene Perspektive für gleichwertig wie die der Leute da drüben zu halten.
>
>Tu ich das?


Schon.

>Und heißt das, ich darf deshalb jetzt nicht drüber diskutieren?

Doch klar. Ich verbiete niemandem irgendwas, ich werte lediglich.

>>Zynismus in der Angelegenheit ist eigentlich in der Sache nicht von Antiamerikanismus zu unterscheiden
>
>Oh Buzzwords!


Ja. Und?

>
>>(Den Leuten da Trump als Staatsoberhaupt an den Hals zu wünschen, damit wir hier, die uns die Wahl nicht betrifft, mehr zu lachen haben, ist - wenn wirklich ernsthaft gemeint - krank)
>
>Nein, das war eine Überspitzung meinerseits. Aber die USA sind immer noch eine Demokratie und in einer solchen bekommt ein Volk immer genau die Regierung, die es verdient.


...was impliziert, dass die Amis, weil sie schlecht sind, auch einen schlechten Präsidenten verdient haben. Aber so einfach ist es nicht, und da du wie ich von ausgehe den Vorwahlprozess mitverfolgt hast, dürftest du auch wissen warum. Der Vorwahlprozess begünstigt durch die zeitliche Kürze (und widerum Länge, klingt erst paradox, ergibt aber Sinn) überproportional Medienhype. Das kam seinerzeit auch Obeezy zugute. Das hätten die Republikaner wissen können.

>Ich glaube aber auch nicht, dass Trump literally Hitler ist.

Natürlich. Hitler hat schließlich relativ klar gesagt, was er wollte.

Ich finde Hitlervergleiche auch megadumm, das ist das politisch-argumentative Arsenal von Anti-Bush-Demos, wo maßgeblich damals auch die Leute mitliefen, die heute bei PEGIDA rumrennen und vom "Ami" faseln. Das ist superschlimm.

Es gibt andere Leute, die sich für einen Vergleich quasi aufdrängen. Aber auch da muss man gucken. Trump hatte noch nie ein politisches Amt inne. Er hat kein "Programm" ausser Schlagworten. Das allein ist gefährlich, weil Macht kein Selbstzweck ist. Aber offenbar besteht ein signifikanter Teil der amerikanischen Wähler exakt darauf, es so einfach zu haben wie es unter Reagan noch wirkte. Dabei würde alles nur noch komplizierter, unvorhersehbarer etc. werden. Wenn jemand in dieser Position keine politische Agenda hat, bekommt er sie eingeflüstert. Ungeachtet dessen, für wie mächtig man das Amt hält, will man dort keinen Manchurian Candidate. Lustigerweise sind für viele sowohl sein Reichtum als auch seine politische Unerfahrenheit die größten Belege dafür, dass er sich nie fremdsteuern lassen würde, was schlicht und ergreifend behämmert ist. Aber das ständig anzumerken ist auch müßig.

(Wobei man tatsächlich im Hinterkopf behalten sollte, das Trump sich als genetisch überlegen ansieht und persönlich die Ansicht vertritt, das Großartigkeit vererbbar ist - srsly. Ob man das jetzt als faschistisch oder als Extremform "plutokratischer Ideologie" begreift, bleibt jedem selber überlassen, es läuft ohnehin aufs selbe hinaus)

>Cruz finde ich wesentlich gruseliger, den wünsche ich nicht mal im Spaß jemandem.

Natürlich nicht. Ich sage ja, das mich das alles deprimiert. Ab dem Moment, wo die Kandidaten vor den ersten Primaries standen, war es absehbar wie es läuft. Sanders unwählbar, weil das Wort "Sozialismus" in den USA grundlegend anders verstanden wird als in Europa. Alle republikanischen Kandidaten Leichtgewichte oder Spinner, die sich im Gottvertrauen auf gemäßigte Wähler verlassen mussten, was auch sehr mutig ist wenn man sich anguckt, wie die letzten zehn Jahre so liefen und wie oft da sich gemäßigte Kräfte durchsetzen konnten (nie). Willst du Kackstulle, Doppelkackstulle mit Senf, Artisan Kackstulle auf Roggenbrot oder frittierte Kackstulle mit Pommes? Immerhin wollte diesmal niemand eine Weltraumbasis auf dem Mond bauen.

>>Wenn man Obama als schwachen Präsidenten auslacht und es dabei belässt, zeigt halt die eigene Kurzsichtigkeit und die Unkenntnis über das politische System. Ja, das Amt des Präsidenten vereint auf eine Person sehr viele Befugnisse und Verantwortung, ist aber gleichwertig mit dem blablabla Checks and Balances blablabla. Man muss parallel immer die Machtverhältnisse im Senat und im Kongress verfolgen. Und da ist es eigentlich nur noch deprimierend.
>
>Obamas Plan Guantanamo zu schließen ist an seiner eigenen Partei gescheitert.


Jo, und an der anderen Partei. It ain't easy being king.

>Wenn er seine eigenen Leute nicht mal von so etwas simplen, wie das Schließen eines gottverdammten Konzentrationslagers überzeugen kann, dann halt ich ihn in der Tat für ziemlich schwach.

Ja, aber ist da der Politiker Obama schwach oder das Amt, das er innehält? Da zu differenzieren ist sehr wichtig, weil alle anderen Urteile dann eventuell einem Zirkelschluss zugrunde liegen. Waffenrecht geht nur über Verfassungsänderungen. Guantanamo kann man wahrscheinlich nicht einfach per executive order dichtmachen. Warum ihm das nicht gelungen ist, weiß ich nicht, ich denke aber dass man ausschließen kann das es ausschließlich an ihm lag. Und da hast du halt das größere Problem. In den USA wird alle zwei Jahre irgendwo ein erheblicher Teil des politischen Systems neu gewählt. Gern auch antizyklisch, also demokratischer Präsident und republikanisches Parlament. Das ist durchaus so intendierter Sand im Getriebe der Verfassung. Was sich geändert hat ist, das ein paar Deppen hingingen und einfach Beton ins Getriebe gekippt haben weil YOLO. Diese Konsequenz des Wählerwillens kann man selbst mit den größten geistigen Verrenkungen nicht Obama anlasten (Nicht, dass du das tust, aber es ist wichtig zu bedenken).

>
>> Ich finde es kokett, deren demokratischen Affenzirkus als so eine Art Reality TV (Was es zweifelsohne ist!) zu diskutieren
>
>Ich gebe zu, wenn man nur meine paar Postings hier so liest, kann der Eindruck entstehen.


Ich lese drüben nicht mit, erst recht keine Politikthreads.

(Edit: Ich hab mal reingeguckt. Oh boy. Sagen wir es so: Wenn die einzigen, die dir beipflichten, die beiden Kapeiken sind, sagt das eigentlich schon alles aus. Ich verbuche es mal wohlwollend unter "failed attempt at humor".)

Ich hab aber jetzt auch keinen Sinn daran gesehen, übermäßig "baiting" (im sinne von reizen, nicht onanieren) zu betreiben, weil what's the point. Hurra, wieder irgendeine komplett egale Diskussion "gewonnen" oder sich selber zum Affen gemacht; ist doch müßig. Ich hasse das mittlerweile.

>Mich interessieren die Wahlen aber wirklich und auf Seiten der Demokraten nehme ich das ernst. Die Republikaner sollte nach der letzten Debatte eigentlich niemand mehr ernst nehmen, das hat nichts mit kokett zu tun.

Doch klar ist das kokett, weil es schlußendlich ja immer noch um Menschen geht. Menschen, die teilweise institutionell ihre Stimme auf "stumm" gestellt bekommen, denen von oben nach und nach die Möglichkeiten entzogen werden, sich selbst zu helfen und die dafür zum Dank ein "Tja, Pech gehabt, du faule Sau!" bekommen.

Wenn man das runterbricht und ständig die Teile wiederkäut, die man "lol" findet, dann ist das, wenn nicht respektlos, wenigstens kokett. Jeder normale Mensch müsste sich eigentlich eine republikanische Partei wünschen, die zumindest stark genug ist, um nicht als Sprungbrett für geisteskranke profilneurotische intellektuelle Tiefflieger zu dienen. Man hat diese Mentalität jahrzehntelang hofiert und befördert, solange sie Erfolge brachte, aber mittlerweile kann man den Eindruck bekommen, dass sie sich schlußendlich zu Tode gesiegt haben.

Dasselbe Problem, was die CDU auch in zehn, zwanzig Jahren hier haben wird: Man wird als gemäßigte Kraft niemals die Rechten rechts überholen können. Und wenn Sigmar Gabriel versucht, die SPD-Mumien-Stammwähler wieder ranzukriegen, die ausländerfeindlichen Rentner die ansonsten nix zu sagen haben, dann wird auch er sich wahrscheinlich sogar wundern, wenn seine Partei im selben Zeitraum erneut zweistellig an Prozentwerten verliert, weil Rentner sterben und dumme Idioten lieber den trve hardcore wählen.

Anstatt aber, das jemand mal was lernen würde aus den Fehlern anderer, werden sie munter selber weitergetrieben. Während sich parallel die politische Kultur ausgehend von diesen Wahlkämpfen auch global verändern wird. Mittlerweile haben auch wir Townhall Meetings, TV-Debatten und hasserfüllte Facebook-Mongos. Und 2030 dann das Kabinett Schweiger I.

>>Ich bin jedenfalls sehr froh, in Deutschland zu leben. Im Gegensatz zu unserem Same-shit-different-day-Sesselpupser-Land sind die da drüben beknackt genug für Bürgerkrieg und für den Fall auch bewaffnet. Und Übung in dem Fach hamse auch. "This is a Purge-Planet, Morty!"
>
>Ich hab gerade echt Angst um Deutschland, aber das ist ein anderes Thema.


Ja.

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 02.03.2016 14:45 bearbeitet.***
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