Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 24.01.2016 14:42 Uhr
Thema: "Garth Marenghi's 'Darkplace'" (Youtube) Antwort auf: Stream of Conciousness von Icheherntion
Diese Woche ist scheinbar Schmalhans der Küchenmeister, der meinen Medienhunger stillt! Schön billich bei weg kommen, aber, wie wir gelernt haben: Was nichts kostnert is auch nix, siehe Super Mario Brothers. Doch so ganz stimmt das ja auch wieder nicht, ist Youtube doch eine Schatztruhe an Britcoms, weil die BBC sich aus irgendwelchen nicht ganz nachvollziehbaren Gründen weigert, den ganzen Scheiß von dort runterzusperren. Wer also bspw. "Black Books" noch nicht aufgeholt hat, kann das auf Youtube für den überschaubaren Preis seines eigenen Datenverkehrs und sonst nichts.

Komischerweise bin ich erst vor drei, vier Tagen auf die Show aufmerksam geworden, die bereits 2004 auf Channel 4 lief (Afaik ein Hybridkanal, der sowohl privat durch werbung finanziert als auch von Rundfunkgebühren via BBC und so eine Art Innovationsmotor für einige Formate ist; Charlie Brookers Sachen, dieses alte Zeppotron-Zeug wie Nathan Barley oder Brass Eye liefen afair auf Channel 4). Zu der Zeit habe ich "leider" eine andere, erheblich einflussreichere Britcom geschaut, welche quasi eigenhändig Simon Pegg und in noch größerem Maße Edgar Wright zu Weltstars machte namens "Spaced". "Spaced" ist sowas wie das englische Friends, nur erheblich ambitionierter gefilmt und mit unvergleichlich niedrigerem Budget und weniger Figuren und europäischerem Humor. Zugänglicher Stuff, will ich damit sagen.

"Garth Marenghi's 'Darkplace'" hingegen ist schon SEHR spezifisch (aber deswegen nicht weniger genial): Jede der insgesamt sechs ca. 24minütigen Episoden wird gerahmt von einer immer identisch ablaufenden Sequenz, in der der fiktive Horrorautor Garth Marenghi, eine ziemlich komplette Persiflage von Stephen King, über seine in den 1980ern früh abgesetzte Horror-Serie "Darkplace" radoniert. In der Tradition von Anthology-Serien wie "Alfred Hitchcocks Masterpiece Theater" (oder schlicht Horroranthologien, die King selber präsentierte, wie "Stephen Kings Masters of Horror") schreitet er in jeder. verdammten. Folge. seine Treppe herab um im Keller eine Filmrolle mit einer weiteren Episode seines Kracherprojekts "Darkplace" aufzutreiben, written, directed by and starring Garth Malenghi, featuring music first whistled by Garth Malenghi.

Der beste und beständigste Gag ist gleich der allererste: Die These, dass ein megalomanischer Autor, umgeben von Enablern und bestätigt durch kommerziellen Erfolg, sich für ein Genie hält, das alles kann, und das leider völlig zu Unrecht. Wie Stephen King kann Malenghi weder Regie führen noch Schauspielern, er hat vielmehr von Film, Fernsehen und so Zeugs überhaupt keine Ahnung. King kann schreiben, okay. Aber Malenghis Stoffe sind nicht allzu weit entfernt von dem, was King verzapft. Darkplace ist eindeutig Kingdom Hospital, und die billige Inszenierung mag zwar zum Teil auch die reiche Tradition billigst produzierter britischer TV-SciFi spoofen, aber der inhaltliche Gaga-Faktor ist original und uncut Stephen King: In einer Episode hat eine Kollegin des von Malenghi gespielten Doktors im Darkplace Hospital PMS und bekommt daraufhin telekinetische Fähigkeiten, worauf den Rest der Folge lang die ganze Zeit diverse Figuren panisch schreiend vor fliegenden Tackern, Bratenwendern und Suppenkellen fliehen, die ein Eigenleben entwickelt haben (Wer das für albern hält, muss daran erinnert werden, dass King mal eine Kurzgeschichte über eine zum Leben erwachte HEIßMANGEL geschrieben hat, ungeachtet der ZWEI Filme über Autos, die zum Leben erwachen um Menschen zu jagen. Oder Handys. Oder Bürocomputer mit Schreibprogramm. You get the drift...).
Alle Ärzte sind permanent bewaffnet, vor allem Malenghis Agent (Gespielt von Richard Ayoade, den meisten wohl bekannt als Morris aus The IT Crowd), der eigentlich kein Schauspieler ist, aber trotzdem in "Darkplace" eine Hauptrolle spielt als der vorgesetzte Arzt des von Malenghi gespielten Arzts. Ihr seht, der Shit ist ganz schön Meta! Jedenfalls kann der Agent für fünf MArk nicht schauspielen, angeblich basierend auf Ayoades eingeständnis, es selber, "IRL" sozusagen, nicht zu können und er nicht nur so tut, als könne er es nicht, sondern wirklich nicht dazu fähig ist.

Ich halte das auch für Koketterie, allerdings glaube ich auch, dass Ayoades sehr spezieller, hm, "Stil" ihn nur dazu qualifizieren würde, Figuren zu spielen die sich irgendwo im autistischen Spektrum wiederfinden, weshalb der Dude mittlerweile viel lieber hinter der Kamera arbeitet ("Submarine").

Jedenfalls spielt er absolut brilliant jemanden, der überhaupt nicht schauspielern kann. Soweit, dass er allein das Konzept von Schusswaffen nur in Ansätzen kapiert, oder ständig in die Kamera guckt nach seinen Sprecheinsätzen, exakt einen Sekundenbruchteil, bevor der Umschnitt kommt.

Ein weiteres geniales Stilmittel, dass die Serie scheinbar wahllos, aber doch mit einem subtilen, aber extrem präzisen komischen Timing immer wieder verwendet: Nachvertonungen von Dialogen. Ca. die Hälfte der Zeit hat der Tonmann wohl vergessen, sein Aufnahmegerät anzustellen, teilweise während einzelner Szenen mal originalton, dann ne andere figur nachvertont, dann spricht diese figur wieder im diegetischen ton, dann wieder nicht mehr... it's madness! Super.

Die Cocktailkirsche auf der Sahnehaube ist Britcom-Allzweckwaffe Matt Berry, der in so ziemlich allem mitgespielt hat was ich so an Britcoms kenne (The IT Crowd, Snuff Box, Mighty Boosh, sogar in der sechsten Staffel Community hat er einen Auftritt) und auch hier übel gut liefert als Sidekick der teigigen, dickbäuchigen Hauptfigur die Malenghi spielt.

Kann sein, dass der Shtick schnell alt wird. Umso besser, dass es dann nur sechs Folgen gibt! Die erste gleich hier im Brauserfenster! ENJOY!

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