Rinoa  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 19.12.2015 22:26 Uhr
Thema: Re:The Dark Side Antwort auf: The Dark Side von michelangelo99
Ich kann da gut mit fühlen, vor 3 Jahren gleiche Diagnose bei meinem Vater mit 65. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft und viel Kraft.


>2014 Jahr war ein Scheißjahr. Auftragslage im alten Job kurzzeitig mies, Kündigung, aus die Maus. Zwar nahtlos neuen Job gefunden, aber nach 3 nervenaufreibenden Monaten beendet, war nicht auszuhalten. Am Ende gab es einen klassischen Nervenzusammenbruch mit ein paar Wochen Auszeit zuhause. Ich war viel in der Natur, habe viel fotografiert, um den Kopf freizukriegen. Ich war so froh, als dieses Kackjahr vorbei war. Naja, das neue ist dann vielsagend mit einer kleinen Katastrophe an Sylvester und einer fehlgeleiteten Feuersalve gestartet, der ein oder andere erinnert sich vielleicht.
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>Doch wenn 2014 schon ein Scheißjahr war, was ist dann erst 2015?
>Anfang des Jahres war ich so richtig down und kam kaum in den Tritt. Ich habe lange Spaziergänge zu unchristlichen Zeiten gemacht und viel fotografiert. Habe dann aber körperlich wieder mehr getan, bin Laufen gegangen, habe nach vorne geschaut und einen neuen Job gefunden. Soweit so gut, der Job war und ist zwar arg grenzwertig, was Stresslevel und Funfaktor betrifft, dafür bombensicher, heimatnah und irgendwie auszuhalten. Aber leider halt so zeitintensiv, dass so nebensächliche Sachen wie Familie, Kinder, Hobbies etc. arg leiden mussten. Was folgte, war ein verdammt hartes, zähes Halbjahr mit unzähligen Überstunden und Vernachlässigung von fast allem, was mich so im Gleichgewicht hält. Ich zocke nicht mehr, mache kaum noch Fotos, schreibe hier schon lange nichts mehr, ich bin oft nur platt und leer.
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>Im Herbst dann plötzlich erhöhte Leberwerte bei meinem Vater, nach einigen Wochen ergebnisloser Untersuchungen dann die Diagnose Darmkrebs, sofortige Einweisung und OP. Es wurde weiterer Befall der Leber und des Gallengangs festgestellt. Keine Heilung möglich, Lebenserwartung 4-6 Wochen. Der Mann ist 68, war immer topfit und ist auch heute noch völlig klar im Kopf. Vor 5 Wochen hat er mir im Krankenhaus diese Diagnose unter Tränen mitgeteilt.
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>Was in den letzten Wochen passiert ist, ist so erdrückend wie unvorstellbar. Mein Vater wurde nach Hause entlassen, wo er jetzt von mir als einzigem Kind und von nahen Angehörigen gepflegt und beim Sterben begleitet wird. Man ist Tag und Nacht bei ihm, sieht, wie er körperlich schwindet und kann nichts tun, als bei ihm zu sein, Tag und Nacht, und dem Krebs ins Gesicht zu schauen.
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>Man hat dabei so viel Scheiß im Kopf, was eigentlich Nebensächliches betrifft, das Finanzielle muss geregelt werden, Verträge werden gekündigt, der Haushalt muss irgendwann aufgelöst werden, es gibt so unendlich viel zu regeln, was mir das letzte bisschen Kraft raubt. Sterben ist eh schon scheiße, ebenso alles, was damit einhergeht.
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>Mein Vater ist von meiner Mutter geschieden, hat aber seit etwas über einem Jahr eine Lebensgefährtin, mit der er sichtbar aufgeblüht ist und noch viele gemeinsame Pläne hatte. Diese Lebensgefährtin ist eine Seele von Mensch, kümmert sich um alles, ist tapfer, hält zu meinem Vater und übernimmt mit mir den Großteil der Pflege, die Nachtwachen und kümmert sich mit mir um alles Organisatorische. Vor ein paar Tagen musste sich ihre Mutter wegen eines bevorstehenden Eingriffs ins Krankenhaus begeben und hat sich dort dummerweise diesen "Krankenhauskeim" geholt, alles kein Problem, hieß es. Vorgestern dann der Schock, auch hier geht es dem Ende entgegen, von 2 Tagen bis hin zu 2 Wochen ist alles möglich. WTF.
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>Ehrlich, das Leben kann so unfassbar Arschloch sein, das gibt's alles nicht. Ich habe vor einem Jahr mal in meinen Neujahrswünschen hier geschrieben, dass nichts über geregelten, normalen Alltag geht. Nichts wünsche ich mir seit langem, langem mehr als das.
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>In den paar Stunden, in denen ich nicht am Sterbebett oder im Büro sitze, schaue ich alte Fotos von früher an, heule, höre die alten Bee-Gees-Songs, die ich früher immer mit meinem alten Herrn im Auto rauf- und runtergehört habe. Oder gehe shoppen. Weißes Hemd, schwarze Krawatte, Friedhof-Outfit. Vielleicht schon für die nächste Woche. Jeder Anruf lässt mich hochschrecken, ich bin nervlich mieser dran als vor einem Jahr.
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>Es ist so schwer, meinen beiden Mädchen begreiflich zu machen, dass Opa bald nicht mehr bei uns wird und Weihnachten dieses Mal "anders" sein wird. Sie sind taper, aber ich höre sie auch in ihrem Zimmer weinen.
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>Ich hab durchaus länger überlegt, ob ich sowas hier mal niederschreibe. Naja, ich hatte gerade mal ein paar Minuten für mich und habe hier schon anderen, banaleren Quatsch geschrieben, da musste das mal sein.
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>Ich höre jetzt weiter Bee Gees. Frohe Weihnachten.
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