Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 16.12.2015 11:06 Uhr
Thema: A Very Murray Christmas Antwort auf: Scharfe Filme: HD-Empfehlungen für Genre-Fans! von Don Cosmo
Aka "You made the meme - we made the Holiday Special!"

Ich weiß nicht. Bin ich der einzige, der es schade findet, das Bill Murray irgendwie die Lust an allem verloren zu haben scheint? Versteht mich nicht falsch, ich denke nicht nur, dass das sein gutes Recht ist, ich kann es sogar voll und ganz nachvollziehen. Aber bin ich der einzige, der da noch vorbehalte hat, Murray als so eine Art lebenden Halbgott für Hipster anzusehen, ein menschgewordenes "Verstehst' schon, ne?"-Zwinkern, die Inkarnation von "I'm just too tired and mellow to care, y'know?", der coolste Opa den keiner hat?

Im Weihnchatsspecial zu Mem, produziert und inszeniert von Sofia Coppola (Deren Koseng Jason Schwartzman eine Nebenrolle in dem Stück spielt und dabei sogar sein angestammtes Gewerk, die professionelle Trommlerei, darbieten darf), soll Murray ein Weihnachtsspecial aufführen, das aber ausfällt wegen einem Blizzard in New York und die ganzen Promis (Paul McCartney, Papst Franziskus, Iggy Azalea, alle nebeneinander sitzend because Comedy) nicht anreisen können. Zuerst bekommt Murray einen Nervenzusammenbruch vor den Livekameras, dann trifft er draußen zufällig Chris Rock und zwingt ihn dazu, mit ihm Live vor der Kamera zu singen, dann sagt der Sender die Veranstaltung ab wegen höherer Gewalt und Murray sitzt in dem Hotel fest und singt mit dem personal und den (buchstäblich) zwei anderen gestrandeten Gästen, ein Hochzeitspaar dass sich nicht getraut hat (Schwartzman und die immer bezaubernde Rashida Jones) ein paar Weihnachtslieder. Das singen steht klar im Vordergrund, wurde aber nicht unter dem aspekt kuratiert, wer am besten singen kann (Yeah, it's that kind of musical...). Ob Murray schön singt, muss jeder selber wissen, ich kann mir zumindest eine Welt vorstellen, in der dessen raspelig-brummiges Geträller auf Gegenliebe trifft. Ich kann mir hingegen, selbst in Rick&Morty-Paralleldimensions-Maßstäben denkend, kein Universum vorstellen, in dem Jason Schwartzmans kindhaftes Falsett irgendwas anderes provoziert als Gelächter. Ich meine, es gibt One Hit Wonder aus den 70ern wo Männer mit vergleichbarer Knabenstimme Welterfolge feiern konnten, aber niemand will gern an diese Künstler erinnert werden.

Die Comedy ist leicht, hauchzart, fast würd man denken sie fehlte ganz. Teilweise weiß man auch gar nicht mehr, ob das witzig gemeint war. Das absolute "piece de resistance" ist Murrays Duett mit George Clooney zu "Santa Claus Wants Some Lovin'", in dem die Lichtinszenierung an einen improvisierten postmodernen Darkroom erinnert und Clooney den Refrain einsingt indem er "schelmisch" hinter Plastikweihnachtsbäumen hervorlinst. Das Gefühl der Angst, unsittlich berührt zu werden, wirkt in diesen Momenten stärker als jegliche wie auch immer behauptete oder vermutete Komik. Praktischerweise hat Netflix die Nummer online gestellt so das jeder kurz selber gucken kann ob ich deliriere oder der Auftritt tatsächlich strange und creepy ist:

[https://www.youtube.com/watch?v=J_raJkhZujs]

Dagegen wirkt das Begrabbeln von Miley Cyrus wenige Augenblicke zuvor ja noch halbwegs normal und Golden-Globes-mäßig augenzwinkernd, solange man nicht selbst aktiv darüber nachdenkt, dass so ein altersfleckiger Lurch gerade ner zwanzigjährigen Ho an den Arsch gelangt hat wie in den 60ern, nachdem ihm Clooney auf Paul Schaeffers Klavier einen Martini gemixt hat. Bin ich noch zu jung oder schon zu alt, um Ironie zu verstehen? Seufz.

Das Ende ist aber schön. Ein schöner Moment, der einen behaglich entlässt, was ja auch ein Aspekt des Mems war: Freundlichkeit. Leicht desinteressiert und apathisch, aber ehrlich gemeinte Freundlichkeit. "Bitte lassen sie sich nicht davon stören, dass ich bewusst Abstand zu ihnen wahre, ich respektiere sie als Mensch, ich bin bloß als Person wunderlich und geniere mich nicht mehr dafür in der Öffentlichkeit. Vielen Dank, sie sehen wieder mal ganz bezaubernd aus."

Ob musikalisch hochwertiger als Helene Fischer muss jeder selber beurteilen, Phoenix waren zumindest ganz schön. Warum die ansonsten immer und in allem wundervolle Maya Rudolph während ihrer Gesangsnummer aber aussieht, als würde sie ein Kind gebähren, das wird nur sie wissen. Vielleicht letzte Reste der Whitney-Houston-Imitation, die aus so vielen Gründen heute nicht mehr geht, aber sich eventuell ganz tief in Rudolphs performerisches Unterbewusstsein gebohrt hat und da nicht mehr rausgeht. Nuja. Murray Christmas, everyone.
< Auf diese Nachricht antworten >