Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 15.12.2015 11:20 Uhr
Thema: Re:Boah ist das scheiße Antwort auf: Re:Boah ist das scheiße von Sascha
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>Ich versteh das alles schlicht und einfach nicht.
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>[https://www.youtube.com/watch?v=FLT3YUALJno]


Guter Punkt. Und der Trailer ist ganz hilfreich um zu unterstreichen, worauf du (und ich) hinauswillst. Den soll sich ruhig jeder angucken, da ich ihn für sehr repräsentativ halte für das, was passiert oder was The Leftovers "ist": Im Grunde zusammenhanglose Vignetten, verfilmte Moodboards ohne erzählerische Kohäsion, Zusammenhalt und -hang, sich bewusst eindeutiger Interpretierbarkeit entziehend. Das kann, in einem anderen Medium als Fernsehen, sehr interessant sein. Bei Filmwerken läufst du sehr große Gefahr, das ganze zu überladen und am Ende alle zu enttäuschen, die Leute mit "künstlerischen" Ansprüchen an das Medium und die Leute die einfach nur was Cooles im Fernsehen gucken wollen.

Die Pointe, und das Selbstbewusstsein muss (und darf!) man als Zuschauer absolut haben, ist, dass es da im Grunde nichts zu verstehen gibt. Ich versuche das hier mal, auch um mir selber zu veranschaulichen, was für ein Quatsch das alles ist. Also, here we go, The Leftovers, "explained":

In Season 1 geht es um die Hauptfigur Sherriff Garvey, der in Mapleton, New York seinen Dienst schiebt. Circa drei Jahre zuvor gab es auf der Welt ein unerklärliches Ereignis, bei dem sich etwa 1 bis 2 Prozent der Weltbevölkerung, um den Erdball herum, buchstäblich in Luft auflösten. Von der einen auf die andere Sekunde waren die einfach weg. Lufthansa-Piloten, Autofahrer, der Papst, alle verschwunden, insgesamt fast 200 Millionen Menschen. Dieses Ereignis wird auch in der Serie nicht erklärt. Es kommen selten am Rande mal Forscher vor, die aber noch sehr am Anfang stehen mit ihren Forschungen und kaum Erkenntnisse gewinnen; die meisten beschäftigen sich mit geologischen (Nicht geografischen! Ich Dummerle!) Aktivitäten und böschtimmt auch dem Erdmagnetfeld... die Serie ist so frustrierend LOST das man manchmal schreien möchte...

Jedenfalls sind diese Leute alle weg, Babys, Alte, Schwangere, alle möglichen Leute. Die Regierung versucht, die Familien zu registrieren die "Verluste" erlitten haben, die Religionen sind in einer Krise weil ihre Antworten einerseits alles und andererseits gar nix erklären und es entsteht eine Sekte, die sich "The Guilty Remnant" nennt und die Leute daran hindern will, "zu vergessen". Dazu machen sie so Guerilla-Aktionen wie bspw. bei Leuten nachts einbrechen und deren Familienfotos zu klauen oder irgendwelche offiziellen Trauerfeiern zu stören a la Westboro Baptist Church, wo sie sich über die Hinterbliebenen lustig machen. Allein das ergibt schon keinen Sinn, wie so vieles in der Show.

Man kann ja gerne hingehen und in Metaphern schreiben. Kein Ding. Allegorien, wundervoll, tutto bene. Aber du kannst nicht beides gleichzeitig haben: Eine homogene Verkörperung von Ideen indem man sie als Menschen auftreten lässt (Ob als Gruppe oder als einzelne Person ist da erstmal unerheblich), ODER diese Gruppen und Einzelpersonen wie "normale", komplexe Menschen rüberkommen lassen, deren Motivationen evtl. im Widerspruch zueinander stehen oder vage, diffus und für die betreffenden selbst kaum zu fassen. Die Guilty Remnant und deren Rituale (Schweigegelübde - sie schreiben nur mit Filzstiften auf Schreibblöcke, was unfassbar nervig wird wenn man das als Tätigkeit wiederholt ausgeübt sieht, widerum ein Vorteil von Prosa ggü. Film im Kleinen - sowie Kettenrauchen) werden nie erklärt. Es gibt anscheinend keine zentrale Organisation, obwohl sowas nur zentral organisiert funktionieren kann. Es gibt regionale "Charters" die offenbar miteinander kommunizieren. Was nur dadurch irritierend wird, weil die Show an anderer Stelle widerum tief einttaucht in die Selbstorganisation einer anderen Behörde, nämlich dem "Office of the Recently Departed" oder so. Da arbeitet eine Frau und interviewt die Hinterbliebenen mit einem obskuren, scheinbar absurd langen und Voight-Kampff-Test-mäßigen fast metaphysisch ("Träumen sie oft von ihrem verschwundenen Angehörigen? Mehr oder weniger seit dem Ereignis?") wirkenden Fragebogen. Es wird angedeutet, dass der Fragebogen ständig überarbeitet wird um ihn präziser zu machen und weniger "false positives" zu kreieren, diese Weiterentwicklung des Tests erfolgt global ("The Japanese are getting amazing results"). Da wird eine ganze Folge lang nur gezeigt, wie diese Frau auf eine Konferenz dieser Behörde geht. Gut, im Rahmen dieser Dienstreise macht sie Party mit Fremden und lernt das Leben neu zu lieben und all so nen Käs (Sie hat während der "Rapture" ihren Mann und ihre Kinder verloren) und trifft am Ende über klandestine Vermittlung Wayne, den magischen Neger, der Leute mit Umarmungen heilen kann aber im Untergrund lebt (Warum auch immer).

Der Sohn von Sherriff Garvey (Hey, remember him?) ist übrigens ein Gehilfe von Wayne, der ständig wie Osama Bin Laden geheim von einem Ort zum anderen flieht und auf einer Farm in Texas ungefähr zwanzig Asiatinnen versteckt hält, die alle mit seinen Babys schwanger sind (no, srsly). Eine dieser schwangeren Asiatinnen begleitet des Sherriffs Sohn um sie vor... Feinden oder der Regierung oder whatever versteckt zu halten. Am Ende der Staffel stirbt Wayne auf dem Scheißhaus, während der Sherriff sein Baby dort findet. Menschen von überall geben viel Geld aus und nehmen großen Aufwand auf sich, um Wayne zu treffen, sich von ihm umarmen zu lassen und durch diese Umarmung ihren Schmerz und ihre Trauer zu verlieren (No, srsly).

Jedenfalls ist die Frau vom Sherriff, dessen Familie bei dem Rapture-Ereignis niemanden verlor, bei den Guilty Remnant und deswegen ja schon auf die ein oder andere Weise verlustig gegangen. Die Tochter sehnt sich nach ihrer Mutter, die aber im pseudoreligiösen (Die Guilty Remnant glauben an nichts, zumindest keinen Gott oder so) Wahn diese immer wieder zurückweist. Darüber hinaus ist der Vater vom Sherriff beknackt und, obwohl selber einst Sherriff von Mapleton, in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt. Der Sherriff selbst hat auch das Gefühl, verrückt zu werden und Menschen und Tiere (Den Hirschen im Trailer) zu sehen, die nicht da sind. Die Tiere sind da (unter anderem ein vermeintlich tollwütiger Hund), die Menschen (in erster Linie ein mysteriöser, aggressiver Dude mit nem Jagdgewehr, der immer die Tiere totschießt, die Sherriff Garvey sieht) sind nicht da. Die sind, wie wir in Season 2 erfahren, in einer Zwischenwelt, so ner Art Fegefeuer für Sünder (oder so), very LOST letzte Staffel. Totaler Dünnpfiff und vor allem nicht wirklich konsistent. Ich weiß grad gar nicht mehr, ob der Jagdgewehrmann aus S01 eine Halluzination war oder nicht, ich denke aber schon.

Als wäre all das nicht genug, gibt es auch noch Pfarrer Christopher Eccleston, der widerum der Bruder von der Frau ist, die bei dem Office of Verschwundene Dudes arbeitet. Der ist Pfarrer und hat eine Gattin, die bei einem Unfall, verursacht durch ein per Rapture führerlos gewordenes Fahrzeug gelähmt und/oder im Wachkoma ist und eigentlich nur im Rollstuhl sitzt und ein Gesicht macht wie ein an der Wand klebender Pfannekuchen. Christopher Eccleston ist eine Metapher auf Sysiphos, auf Hiob, auf all die historisch-legendär und biblisch Gestraften, die episch Leidenden der Literatur und Religion - ich bevorzuge die Bezeichnung "Der Butt-Boy von Leftovers". Er wird zwar als absolut unerträgliche Möse eingeführt, die ähnlich ätzend vorgeht wie die Guilty Remnant. Im Gegensatz zu den Guilty Remnant, die ständig sagen "Get over it!!!" (Aber eigentlich wollen, dass die Leute das Ereignis nie vergessen - wäh?) verteilt er ständig "Missing"-Flugblätter mit den Opfern der Katastrophe und sagt, dass man die Leute nie vergessen dürfe, weil whatever. In seine Kirche gehen nur noch zwei Leute und er ist sozial geächtet. Seine Frau macht immer nur Pfannkuchengesicht und am Ende kaufen sogar die Guilty Remnant seine Kirche, kurz nachdem er durch völlig absurde Umstände noch an das Geld gekommen ist, sie selber zu kaufen, dann aber durch eine ebenso absurde Verkettung von Pech nicht rechtzeitig zur Deadline mit dem Geld am Start ist und wird obdachlos.

So, dass ist ungefähr die Kurzfassung. Die Tochter vom Sherriff ist Teenager und nimmt Drogen und macht den Sex, was Teenager einerseits immer machen, andererseits von der Serie inszenatorisch und erzählerisch in so eine Ecke gestellt wird als wäre die voll krass nihilistisch am rumsündigen, es wirkt auf jeden Fall für debauchery so freundvoll wie Selbstkasteiung im Trapistenkloster.

Es ist nicht schwer oder kryptisch versteckt, dass es in der Serie um die Konkretisierung abstrakter Konzepte wie "Leid" und "Verlust" geht. Diese Konzepte werden halt visuell und erzählerisch umgesetzt und so (zumindest ist das die absicht) konkretisiert - Allegorie eben.

Was das ganze jetzt leider zum scheitern verurteilt ist die Tendenz der Autoren, da teilweise wirklich sehr subjetive und schlechterdings emotionalisierte eigene Inhalte reinbringen und die Schwerpunkte nach ihrem sehr diffusen und äußerst wechselhaften, dadurch unkonzentriert wirkendem, Gusto setzen. Man hat quasi jede Folge das Gefühl, eine andere Serie zu gucken. Man hat das Gefühl, das die angeschnittenen Themen auf eine Weise behandelt werden, die so abstrus und subjetiv eingefärbt ist, aber trotzdem den Anspruch erhebt, irgendwelche generellen Aussagen zu treffen, dass als mögliche Erklärung nur zwei Sachen übrig bleiben: Das die Person, die das geschrieben hat, das Thema welches sie sich vornahm, nicht verstanden hat, oder dass diese Person ein langweiliges Arschloch ist mit einem langweiligen Arschlochleben, sich wegen diesem aber verstörend hemmungslos selbst bemitleidet.

Es ist sehr dezidiert die Serie eines weißen, geschiedenen reichen Futzis, in der jeder Ausflug in Millieus die nicht die klassischen Millieus geschiedener, alternder reicher Futzis sind wirkt wie eine magische Zauberreise in ein Land unverdünnter, reinster Fantasie. Jugendliche? Kein Plan was die machen. Ficken? Christen. Kein Plan was die machen. Opfahz sein, dabei aber immer würdevoll und majestätisch bleibend? Und so weiter. Richtig zu Hause scheint die Serie immer nur dann zu sein, wenn sie Sherriff Garvey als Mittelpunkt hat. Zu schade, dass die Figur die meiste Zeit damit beschäftigt ist, so zu gucken als sei sie gerade aus einem tiefen tiefen Schlaf aufgewacht (Müßig zu erwähnen, dass die Figur schlafwandelt) und sich gerade selber fragt, wo zum Teufel sie gerade gelandet ist.

Wie bei LOST werden dem Zuschauer ständig Informationen vorenthalten und deren Reveals innerhalb der Erzählung groß abgefeiert. Lindelof hält das also wirklich immer noch für geniales Storytelling, bzw. es ist halt eben das einzige was er kann. Durch die vielen thematischen Wechsel und die vielzahl an Figuren wird kaschiert, dass das eigentliche Erzähltempo fast schon beleidigend langsam ist, und in beiden Staffeln passiert das meiste, und das meiste relevante, in der allerletzten Folge, was das was davor passiert noch mehr wie dumme Rumpisserei wirken lässt. Manche Folgen erinnern gar direkt an LOST-Flashbacks (Vor allem Kate-Flashbacks, welche wie alle sich erinnern der nackte Horror waren voller Phantasiemenschen die Phantasiedialog blubbern wie "I don't do taco nights!!1oneleven"), Christopher Ecclestons Pfarrer nicht zu knapp an John Locke (Ein Zealot der durch Leiden immer gefährlich belohnt wird, so als wäre Gott sein größter Enabler, der immer rein zufällig, aus Versehen und zu den unpassendsten Momenten eine kalte Flasche Bier auf dem Tisch von nem Alkoholiker abstellt, völlig bizarr wie hart die Autoren den Typen vom Leben rapen lassen) und in Staffel 2 gibt es buchstäblich das Afterlife und eine magische Felsspalte in der furchtbar computeranimiertes Wasser vergluckert weil (wahrscheinlich) Gott.

Man bleibt dran, weil der Shizzle so absurd ist und Lindelofs bekackte Art, möglichst faszinierend rüberzukommen, bei Einfaltspinseln und Menschen ohne Leben wie mir immer gut zieht. Jemand wie ich kann an einem Tag sieben Folgen davon wegbingen und sich drüber aufregen, ich hab ja in der Zeit weder Kinder vernachlässigt noch kein Geld verdient welches ich dringend bräuchte. Aber buchstäblich jeder andere, der nicht ich ist, hat einfach zu viel wertvolle wichtige Lebenszeit, um so einen vollumfänglichen Kappes wie The Leftovers gucken zu müssen.

Man merkt, dass man da an Themen ranwill, die man behandeln sollte und deren aufarbeitung in fiktionalem Drama nicht nur legitim, sondern wirklich wichtig wäre. Themen wie eben Verlust, wie kollektive Rage, wie dem grundlegenden aus Hilflosigkeit herrührenden Gefühl der Wut welche wenn sie lange genug gärt in Gewalt mündet, Hass und wie er eine Gesellschaft zersetzt, Ideologie die so verborht ins Feld geführt wird dass sie irreparable Brüche selbst innerhalb engster Familienverbände verursacht und so weiter. Aber es klappt nicht. Es klappt einfach nicht, weil die Stimme, die uns das erzählt, selber zu befangen ist, um überhaupt auch nur in die Nähe von Klarheit zu kommen. Die Antwort, die auf Verwirrung gegeben wird ist noch mehr Verwirrung, bewusste Irreführung um die eigene Irritation zu... kaschieren? Zu betonen? Häh?

Zum Glück guckts auch wirklich keine Sau. Ist zwar um eine Staffel verlängert worden (WARUUUUUUUUUUUUUUM?!), aber danach hat HBO gesagt ist schluss. Ja GOTT sei Dank.

Achso, der Musikeinsatz ist auch ganz schlimm die iPod-Playlist "Dad-Gefühle" von Lindelof, es ist so krass viel weiße Emo-Musik, "No one laughs at god when the police knocks on your door in the night" JA FICK DICH! ÜBER DEINEN GOTT LACH ICH IMMER NOCH BEIM KACKEN, DU AFFE!

Ich hoffe, es ist klar geworden worauf ich hinauswill (Die schlußendliche Uninterpretierbarkeit der Serie aufgrund sich quasi gegenseitig ausschließender und überlagernder Denkentwürfe und daraus folgenden Plotideen, ähnlich Metal Gear Solid). Wenn nicht, dann tuts mir leid mal wieder die Zeit der zwei Leute verschwendet zu haben, die solche Wall of Texts bis hierhin lesen.
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