Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 14.12.2015 13:29 Uhr
Thema: Marvel Cinematic Leftovers. Season 2. Antwort auf: The Voice ist viel besser als DSDS! von Icheherntion
Oh Mann, ey. Warum?

Leftovers Staffel 1 war ein komisches Pflänzchen; eine Serie mit Mysteryelementen über Verlust und was Verlust und Trauer aus einer Gesellschaft als Kollektiv machen. Wie die Irritation gefüllt wird mit noch mehr Irritation; wie es sich in einer Welt lebt, in der vermeintlich die Existenz Gottes bewiesen wurde.

Mit der Zeit wurde deutlich, dass diese Themen ausreichen, um selbst die fähigsten Autoren unter der Last der Bedeutung ihres Stoffes in die Knie zu zwingen. Wir mussten (und müssen) jedoch mit Damon Lindeloff hier arbeiten, und das bedeutet, quasi den Gabelstaplerfahrer Klaus der Branche vor sich zu haben. "Geht nicht gibt's nicht!"

Heraus kam etwas, von dem man sich sehr gut vorstellen kann, dass es in Prosaform funktioniert und ebensogut sehen kann, warum es in gefilmter Form nicht funktioniert: Die Prozesse und Konflikte in der Serie sind in erster Linie interner Natur, will meinen: Anstatt Stress mit seinem Vorgesetzten hat eine Figur Stress "mit sich selbst", in ihren eigenen Gedanken. Das lässt sich schwer bis unmöglich visuell umsetzen, was der Serie nichtsdestotrotz vereinzelt gelang (Eine Frau, die Prostituierte dafür bezahlt, dass sie mit einer scharfen Waffe auf sie schießen während sie eine schusssichere Weste trägt, einfach um zu "fühlen"), meistens jedoch nicht - es gab einen buchstäblichen "magischen Neger", der Menschen mit Umarmungen heilen konnte und so eine Art Heiliger war, aber Wayne hieß. Alle nannten ihn "Holy Wayne". WTF.

Ich könnte noch so viel über die erste Staffel schreiben, wie ungewöhnlich sie war und wie sie in erster Linie über Teasing und der bewussten Desorientierung des Zuschauers funktionierte, aber das könnte ich genauso gut über die zweite Staffel. Der Kernunterschied zwischen beiden Seasons besteht darin, dass Lindeloff schlicht die Romanvorlage ausgegangen ist und er sich also gezwungen sieht, trotzdem weiterzuerzählen.

Das Buch hatte auch kein Ende im klassischen Sinne, aber ich erwähnte bereits, dass manche Sachen in der Prosa erheblich besser funktionieren als im Film. Und manche Sachen funktionieren auch im Film nicht gut. Beispielsweise Retooling. Das wurde an Leftovers nämlich, warum auch immer, durchgeführt. Man würde meinen, nach der Sichtung von Season 1, dass die Show sich zumindest der festgefahrenen Traditionen des dramatischen Erzählens bewusst ist und wenn sie diese schon nicht offen und geradeheraus konterkarieren will, sie zumindest hinterfragt.

Insofern ist es schon bemerkenswert, wie billig und abgedroschen die meisten Neuanpassungen in der Show und den Figuren vorgenommen wurden. Seit dem Ende der ersten Staffel, die mit einem Großfeuer ausklang welches das örtliche Hauptquartier einer ominösen Sekte zerstörte, sind zwei Monate vergangen. Der beste lebende Kinokomödienautor (Zitat F. Deutschland) Justin Theroux hat seinen (ohnehin nur sporadisch ausgeübten) Job als Sherriff an den Nagel gehangen und ist mit seiner Freundin, gespielt von der Neuentdeckung Carrie Coon, und seiner Tochter umgezogen. Mapleton, was in Season 1 noch als so eine Art Stephen-King-mäßiges gebrochenes Idyll pars pro toto als Kleinstadt die Konflikte darstellte, die maßgeblich das ganze Land befielen, wird ausgetauscht durch einen neuen Haupthandlungsort, der so ausgedacht wirkt wie nichtmal Stephen Kings immer sehr ausgedacht wirkende Handlungsorte rüberkommen: "Miracle, Texas", eine Stadt in der kein einziges Opfer durch die 2pacalypse zu beklagen gewesen ist und zu einem Nationalpark umgemodelt wurde, zu der jeden Tag buchstäbliche Busladungen von Touris und Pilgern aus aller Welt anrücken. Irgendwas mit geografischen Aktivitäten (Lindeloff KANN es einfach nicht lassen), something something dark something something. Einlass in das hermetisch abgeriegelte Kaff wird von der Armee kontrolliert, und die Dorfbevölkerung bzw. deren Feuerwehr fungiert wohl als so eine Art Lynchmob der ungeliebte Mitbürger gewaltsam aus der Stadt jagen kann. Natürlich verhalten sich auch alle da irgendwie weird, und OH WAS FÜR EIN ZUFALL Christopher Eccleston aus Staffel 1 ist dort auch hingezogen als Aushilfspfarrer! Carrie Coon hat, nachdem sie ihr Haus für den sechsfachen Preis ans Massachussets Institute of Technology verkauft hat (GEOGRAFISCHE AKTIVITÄTEN!!!1) eigentlich in Miracle ein Haus gemietet, das ist aber kürzlich abgefackelt (Feuerwehr-Lynchmob) also ersteigert sie eins für ungefähr denselben Mondpreis, für den sie ihr Haus in New York State verkauft hatte. Sherriff Theroux ist überhaupt nicht begeistert, dreht er doch gleichzeitig selber durch wie sein Vater und sieht ständig Margo Martindale, weil er so viele Gefühle und so viel Ennui in sich trägt. Um sich davon abzulenken, hört er auf seinem iPod Dubstep.

Ich merk grad selber, wie mir die Lust schwindet, weiter darüber zu schreiben. Ich bin erst bei der dritten oder vierten folge und melde mich nochmal wieder. Vielleicht. Jedenfalls, Quintessenz: Mich nervt die Scheiße und ich rate auch jedem anderen, mit The Leftovers seine Zeit nicht zu verschwenden; alles nur ein elaborierter Trickbetrug um so zu tun als ginge es um etwas und am Ende gehts nur um kalten Kaffee mit ein paar Pullover-Fitzeln aus dem eigenen Bauchnabel.
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