Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 28.10.2015 20:07 Uhr
Thema: Rocky 4 Antwort auf: Scharfe Filme: HD-Empfehlungen für Genre-Fans! von Don Cosmo
Aka der beste Rocky aka der einzig eigentlich wichtige Rocky. Sooooooooo geil. Ca. fünf Minuten Plot allein durch Musikmontagen grad mal so auf 89 Minuten ausgewalzt, written and directed by the man himself, Sylvester Maria Stallone.

Man muss sich vergegenwärtigen, wie allmächtig Stallone mitte der 80er war. Ihm wurde die Hauptrolle in Beverly Hills Cop angeboten, er wäre dabei gewesen wenn er das Drehbuch hätte umschreiben dürfen (Er wollte nicht in einer Komödie mitspielen), in letzter Sekunde wurde Eddie Murphy verpflichtet, the rest is history - bzw. der Film "Cobra" ("Die City-Cobra"), welche aus Stallones Re-Write des Beverly-Hills-Cop-Skripts entstanden ist, Scheren-Pizza und alles. Er hat also am Ende doch in "seiner" Version von Beverly Hills Cop die Hauptrolle spielen dürfen, und die wurde auch gemacht.

Und es war nicht so, als wenn die Leute in Hollywood nicht wussten, das Stallone, Ausnahmen bestätigen die Regel ("Rocky"), für fünf Mark nicht schreiben kann, hat er doch schon das Sequel zu Saturday Night Fever ("Staying Alive") im Stil eines Autorenfilmers (technisch gesehen!) umgesetzt.

Sylvester Stallone ist nicht nur ein bißchen so, wie ein Achtjähriger der mit Powerrangers-Figuren spielt und nur durch eine Laune des Universums sich in der Position befindet, wo hundert Sklaven zu seinen Füßen sitzen und alles mitschreiben, nachbauen, nachstellen und die Nachstellung kompetent filmen und schneiden. Kein normaler Mensch hätte, unter normalen Umständen, Stallone dabei geholfen, "Rocky 4" zu machen, geschweige denn dafür gezahlt. Stallone war ein Gott unter Menschen zu der Zeit, und wer würde Gott persönlich einen Wunsch ausschlagen? Immerhin redet er mit einem!

Und so kommt es, das Rocky 4 existiert. Unmögliche Klamotten, antikommunistische Propaganda, psychedelischer Designerschmuck und ein persönlicher fucking Roboter.

Jap. Rocky hat einen Roboter, der als Butler der Familie/Love Interest (!!!) für Trainer Paulie fungiert, der, so zeigt es der Film schonungslos, komplett die Kontrolle über sein Leben verloren hat und bei Balboas daheim als so eine Art Haustier gehalten wird, oder so einen Deal am laufen hat wie Orson Welles seinerzeit mit Peter Bogdanovich.

Derweil wird Ivan Drago von Stallones damaliger Göttergattin Gitta "Was geht los da rein" Nielsen als großes Ding angekündigt, das nach Amerika kommt um zu gucken wo der Ziegenbock den Honig hat. Er, bzw. sie, fordert nicht mehr als die demonstrative Demütigung des Klassenfeindes in dessen eigenem Wohnzimmer!

Derweil ist Appollo Creed an seinem Fernseher am Pool (Amis! "Safety... fourth!") am chillen und traurig, weil er alt wird. Er sieht ZUFÄLLIGERWEISE die Pressekonferenz von Brigitte Lundgren und ihm kommt eine geniale Idee: Wieso eigentlich weiterleben, wenn man sich nicht viel besser ermorden kann?

In was man, in dem fiktiven Universum, in dem Rocky spielt zumindest, als den mit Abstand dümmsten Move in der Geschichte des Sports beschreiben könnte, fordert Creed Drago heraus und entblödet sich auch nicht, eine Pre-Fight-Show abzuziehen welche in Arroganz und unverdienter Selbstsicherheit nichtmal von NSDAP-Reichsparteitagen übertroffen wird: Immerhin (!) hat Hitler nicht auch noch James Brown auftreten lassen, bevor er in Paris nach gewonnenem Blitzkrieg zum Affen-Selfie vor dem Eiffelturm posierte. "Living in America" wird zu "Ehren" Ivan Dragos, der wie ein Tier in der römischen Arena über eine Hebebühne von unten in den Las-Vegas-Publikumsraum gefahren wird, in kompletter Länge durchgespielt, mit Zugabe (zehn Mal nochmal der Refrain, FFS...), so dass man nicht nur theoretisch die Empörung und das Unbehagen der russischen Gäste teilen kann.

Was folgt, überrascht keinen: Apollo Creed wird in drei Runden humorlos von Drago totgeschlagen und stirbt in Rockys Armen (srsly) noch im Ring. Es mag vielleicht die wohl desaströseste (und vorhersehbarste) Niederlage in der Geschichte des Sports sein, aber ich als Reporter würde mich freuen, dass das fade und vorhersehbare Boxsport zumindest durch die überraschende Regellockerung bezüglich "Mord" DEUTLICHST an Attraktivität gewonnen hat. Stallone denkt glücklicherweise als Autor genauso wie ich, woraufhin er selbstverständlich davon ausgeht, dass die Leute sicher ganz jeck nach noch mehr astreinem, live im Fernsehen übertragenen Bloodsport sind, weshalb dem Folgekampf Rockys gegen Drago weder sonderlich elaborierte Motivation noch irgendeine Form der Darstellung dieser vorausgeht, dafür aber eine fünfminütige Montage zu 80er-Jahre-Fitnessstudio-Powerrock wie er im häßlichsten Lamborghini in der Geschichte dieser traditionsreichen Automarke ("Er kostet 900.000 Dollar, sieht aber aus wie ein Mazda! Bester Diebstahlschutz ever!") durch die Nacht fährt, traurig darüber dass weder Adrian ("AAAAAAADRIAAAAAAAN!") noch sonstwer (Der Roboter, Paulie) verstehen, warum er jetzt, wo Drago seinen besten Freund kapottgeboxt hat, er sich jetzt auch von Drago kapottboxen lassen muss, und zwar in Russland. Ehre und so. Wasstscho.

Und Drago hat keine Ehre. Rocky fährt nach Russland und es folgen schnell einige der schönsten kontinuierlichen zehn Minuten der Filmgeschichte, die Trainingsmontage, die nahtlos in eine zweite Trainingsmontage übergeht; Stallones opum magnus und ein virtuoser filmischer Kunstgriff. Warum auch immer er sich in dieser wunderschönen Gegend in einer mehrstöckigen Holzvilla einrichtet, um Ochsengespanne zu stemmen und Berge hochzulaufen während Drago von technisch überlegenen Computern zum Übermenschen gezüchtet wird (Stallone, alter Geschmacksvirtuose der er nunmal ist, hat keinerlei Bedenken, Nazi-Ästhetik und -Semantik noch mit in seinen antikommunistischen Klumpatsch mit reinzuhauen - Drago sieht nicht aus wie ein Russe, sondern wie ein fucking Arier, wird auch klar so inszeniert und findet wie hier erwähnt auch im Dialog Nachklang. Nazis, Kommunisten, eh, who cares?). No subtext, folks, just relax and enjoy the show.

Das denkt sich auch Rockys Sohn, Rollo Balboa. Daheim zurückgelassen, weil ADRIAAAAAAAAAAAAAN ihrem Hospes in seinen letzten Stunden doch beistehen möchte, wird er nur vom Roboter betreut (Paulie ist, warum auch immer, auch in Russland, obwohl Apollos Trainer viel mehr den Eindruck erweckt, überhaupt noch, naja, jemanden in Boxen zu trainieren und auch mitfährt, und macht nix anderes als rummotzen dass es so kalt ist, wtf Paulie, get your shit together, you filthy degenerate!) und darf sich deswegen in einem epischen Move von Roboter-Mensch-Erziehung im Fernsehen die Hinrichtung seines eigenen Vaters mitverfolgen. Wie es sich dafür gehört, hat er dazu auch die Nachbarskinder eingeladen, deren Eltern nach dem wunderbaren ersten Kampf natürlich keinerlei Bedenken hatten, sie unbeaufsichtigt bei Rollo Balboa das Sequel zur "Blutschlacht von Vegas" gucken zu lassen, beaufsichtigt nur von einem Roboter mit einem Telefon im Bauch.

Zum großen Glück für ALLE Beteiligten geht alles gut aus und Rocky wemst Drago in der 12. Runde zu Boden. Im großen Finalkampf entpuppt sich Stallone doch noch als der Stümper, der er ist (GASP!). In einem Film, in dem, seien wir mal realistisch, de facto der DoP die Regie geführt haben dürfte, gerät das Finale zu einem spastischen Mischmasch; einer Beulerei, die keiner Dramaturgie und keinem Rhytmus zu folgen scheint.

Hier rächt es, dass Stallone nur in Form von Montagen erzählen kann: Der Kampf selbst erfolgt quasi in einer großen, zusammenhängenden Szene, ohne dass man nachvollziehen kann, welche Runde gerade läuft. Der Kampf geht auf eine Art und Weise hin und her dass man vermutet, er wäre aus mehreren verschiedenen Kämpfen zusammenmontiert worden (Huh! Wonder how that comes...) und läuft nach dem Schema ab: Rocky kriegt üüüüüübelst lange übertrieben auf die Fresse eine Minute am Stück, dann erinnert sich Rocky daran dass er Rocky ist und haut Drago widerum üüüüüüüüübertrieben aufs Maul, und nachdem der seinerseits von den Toten plötzlich wieder aufersteht, zieht er gleich wieder Rocky krassest die Möbel wieder gerade.

Wie ich schon sagte: Powerrangers-Figuren. Und nachdem Rocky EINMAL HUNDERTMAL TAUSEND HUNDERTTAUSEND MAL MEHR WIE DU Drago dreißig Uppercuts an die Nuss gegongt hat, ist der Kampf endlich zuende. Drago hält eine kurze Ansprache an das undankbare Publikum, dass ihn mit seiner beschissenen Art zurückhält, und dann kommt Rocky und macht etwas unfassbares. Am Ende habe ich geweint. Ihr glaubt mir nicht? Seht selbst!

Nein, Scherz. Rocky hält aber tatsächlich eine zumindest, naja, erstaunliche Rede: Er selbst, also Rocky, kam in dieses Land, also Rußland bzw. damals halt noch die Sowjetunion, und hat durch sein vieles Training und zentnerweise als Arzneimittel deklariertes brasilianisches Pferdefleisch geändert, und das Publikum, was am Anfang für Drago war und dann am Ende für Rocky, kann sich ja auch ändern! So können wir uns alle ändern und der Frieden wird unser sein! Ernsthaft. Selbst Fake-Gorbatschow, der eher so aussieht wie Gernot Hassknecht aus der heute-Show und absolut null wie Gorbatschow, ist zu Tränen gerührt.

Abgesehen, dass Rocky tatsächlich Recht behalten sollte (!!!!!!!!) beschleichte mich noch ein anderer, schlimmer Verdacht, bzw. erstmal nur ein schlimmer Ohrwurm, nämlich, man kann es sich schon denken, "Winds of Change" von den Scorpions. Da habe ich erst neulich in den überschwänglichen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit nachgelesen, wie eigentlich die Inspiration zu dem song kam:

Lead singer Klaus Meine told NME: "Everyone was there: the Red Army, journalists, musicians from Germany, from America, from Russia-the whole world on one boat. It was like a vision; everyone was talking the same language. It was a very positive vibe. That night was the basic inspiration for Wind Of Change."

[http://www.songfacts.com/detail.php?id=2764]

Das muss, im Nachhinein, als Lüge gelten. Die haben einfach vier Jahre vorher im Tourbus Rocky 4 auf Video 2000 geguckt, die Penner!
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