Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 15.09.2014 22:12 Uhr
Thema: 1/6 Zorn der Titanen vs. ca. 40% von 2012 Antwort auf: Scharfe Filme: HD-Empfehlungen für Genre-Fans! von Don Cosmo
Als ich mir am Samstag abend die Zeit bis zum Sportstudio vertreiben musste, fiel meine Wahl auf Emmerichs "2012", was zum längsten kontinuierlichen Sat.1-gegucke in Jahren mündete (Immerhin knapp anderthalb stunden dabeigeblieben!).

Es ist ja sehr einfach und genehm, Emmerich zu hassen und ihn als Filmemacher für verblödete Idioten zu bezeichnen. Letzteres bleibt tatsächlich jedem umbenommen, aber der mit fast beiläufiger Selbstverständlichkeit immer wieder wiederholte Hohn für den auteur selbst ist, wenn nicht unfair, dann zumindest schizophren, wenn man von denselben Leuten mit 90%iger Wahrscheinlichkeit erfährt, wie sehr sie Zack Schneider und Konsorten schätzen und sich auf den drölften Avengers freuen.

Emmerichs Filme (Give or take one "Anonyma" bzw. Universal Soldier) Katastrophenfilme, deren Haupthandlungsstrang von mindestens einem starken und oft noch einem weiteren eher schwach verfolgten Subplots punktiert wird, oft auch, um das Timing der großen Action-Setpieces besser managen zu können und im richtigen Moment mit einem Umschnitt zu stark fallender Handlung wechseln zu können.

Meistens ist der erste Subplot irgendwas mit einem Forscher, der seinem Vater das letzte mal sagen will, dass er ihn ganz doll lieb hat, oder sogar der Main Plot, wie in "The Day After Tomorrow".

Das mit Abstand wichtigste, und damit tut man Emmerich weder Unrecht, noch lehnt man sich dabei zu weit aus dem Fenster, sind aber die Action- bzw. Zerstörungssequenzen.

Einleitend sei gesagt, dass ich ein Problem damit habe, derlei genozidähnliche Vernichtung zu sehen, besonders nicht mit der Begeisterung der Macher für dass, was sie da abbilden, die man sonst nur von Pornografen kennt. Es ist schwer erträglich, das ganze als das zu sehn, was es ist, nämlich ein sehr, sehr großes Kind, das sehr sehr aufwändig zusammengebastelte Lego-Modelle mit ebengleicher kindlicher Freude kapotthaut. Dazu braucht es auch nicht das Referenzmaterial vom elften September ("...hemberhemberhemberhembeeeer!"), allerdings ist durchaus auffällig, in welchem Maße visuell inspirierend die real life physics in sich zusammenstürzender phallischer Hochhäuser auf die Praxis von SFX-Animatoren, Autoren und Produzenten/Regisseuren gewirkt hat.

That being said, ich habe selten eine tollkühnere Sequenz totaler Vernichtung gesehen als die erste große Actionszene in 2012, als John Cusack, ich bin mir sicher AUS GRÜNDEN, seine Familie zu Hause einsammelt und in einer Stretch Limo rettet vor dem besorgniserregenden Phänomen, dass ganz Ostkalifornien währenddessen in die San-Andreas-Spalte plumpst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein derart fleißiger, hochbezahlter schwäbischer Mann wie Emmerich dem Gebrauch exotischer Halluzinogene oder weniger exotischerer, dafür aber umso stärkeren harten Rauschmitteln zugeneigt ist. Wenn diese Sequenz also nunmehr ausdruck nüchterner, fleißiger Kreativarbeit ist, wofür ausnahmslos alles spricht, dann muss man Emmerich als einen Inszenierer betrachten, dessen visueller Einfallsreichtum in einer Linie mit dem frühen Peter Jackson oder den guten alten brutalen Tom&Jerry-Cartoons zu betrachten ist.

Nichtmal in neueren familienkompatiblen Massenvernichtungsfilmen wie den Avengers oder dem für seinen betont a propos behandelten Bodycount berüchtigten Stan of Meel von Riefenstahl-Superfan Zack Schneider wird mit so ursprünglicher Freude am ausser-kraft-setzen jeglicher hergebrachter Physik zerdeppert, zerbröselt und zerbatscht wie in 2012. Auf die Gefahr hin, den Film allein durch die Beschreibung dieser einzelnen Sequenz viel unterhaltsamer klingen zu lassen, als er eigentlich ist (Der Impact des Zisch-Bumm-Peng-Wahnsinns wird damit erkauft, dass über weite Strecken bis auf hyperdramatische Dialogszenen so gut wie nichts passiert, und das was passiert, ergibt auch nur im vagesten Bezug so etwas wie "Sinn"), passiert folgendes:

John Cusack will aus Kalifornien flüchten und trifft auf einen praktischerweise gerade sein flugzeug wartenden Piloten. Er bittet diesen, auf ihn zu warten, während er seine familie abholt. Mit einer Stretchlimousine, die ungefähr dieselben höchstgeschwindigkeiten erreicht wie ein VW Multivan und über noch ungünstigere Fahreigenschaften (Bspw. Wendekreis) verfügt.

Andererseits sieht eine Stretchlimousine schön phallisch aus und lässt sich in vergleichsweise chaotischen Bildkompositionen immer leicht wiedererkennen, was sich später noch zum Vorteil entwickeln soll.

John Cusack fährt also "mal kurz" von einem ländlich gelegenen Kleinflughafen in ein zentrumsnahes wohngebiet von LA (Es gibt zentrumsnahe wohngebiete in LA, die so aussehen wie klassische weiße Schlafstädte? Nun gut), wo er seine Ex-Frau und dessen Mann und die wohl noch von Cusack stammende Brut gerade wo das große Beben richtig abgeht höflich brüllend bittet, doch möglichst in sein stattliches Gefährt einzusteigen.

Nachdem seine Tochter sich weigert, weil sie irgendeinen Kack im Haus vergessen hatte, einzusteigen, zerrt die Mutter sie in das Riesending von Karre, und Cusack holzt beim Rückwärts ausparken mal gepflegt die rechte hintere Beifahrertür weg, allerdings nicht ohne dabei gleichzeit lässig den Porsche vom neuen Hospes seiner Ex in einen sich praktischerweise gerade auftuenden Erdschlund zu batzen, was vom Neu-Gatten einen mißmutigen Blick verursacht, den Cusack mit einem lässigen "Tja, sorry...!" beantwortet.

Während sie mit vollgas die Straße runterdonnern während hinter ihnen wie in einem Cartoon die Erde sich nicht entscheiden kann, ob sie nach oben explodieren oder nach unten einfach wegbrechen soll, fährt vor ihnen ein klassischer Griswolds-Familienkombi mit zwei Omas vorne drin langsam vor sich hintuckert. Cusack überholt, indem er durch mehrere vorgärten brettert, offenbar mit dem sicheren gefühl eines vollgepanzerten wagens, und die Kinder (!) der Familie seitlich aus der fehlenden Autotür heraus sich en passant angucken können, wie beide omas gegen eine sich emporschnellende erdfalte manövrieren und jaulend der biblischen Zerstörungsorgie anheim fallen.

Praktisch am Ende der Straße liegt, montagetechnisch, auch schon die Innenstadt von Los angeles, die sich auf gar lust'ge weise selber zusammenfaltet. Unter einer einstürzenden Brücke hindurch, das Beton drückt schon auf die funkensprühende dachkarrosserie der Stretchlimo, driftet Cusack im letzten moment, als noch eine Felswand aus dem Boden schießt, diesmal unter anderem eine Abwasserleitung durchtrennend, deren Kacki-Inhalt sich großzügig auf das Auto ergießt (Dessen hintere Seitentür, wir erinnern uns, komplett fehlt). Lässig switcht Cusack die Scheibenwischer an, die wie in handumdrehen den Blick durch den ganzen menschlichen Unrat wieder frei geben.

Und zwar auf einen Wolkenkratzer, der in sich zusammensackt ("...emberemberemberembeeeer!"). Wie geil, dass das Erdbeben wie immer gut mitspielt und eine Rampe baut, über die Cusack mit dem Auto jumped, durch die Fensterfront des soon-to-be Ex-Hochhauses, und einfach durch eine soon-to-be Ex-Büroetage pfeffert, um am anderen Ende durch die gegenüberliegende Fensterfront zu entweichen. Nach einem aerial shot aus der Distanz auf das Geschehen endet die Sequenz, die ankunft am Flughafen wird nach dem umschnitt gezeigt, es stellt sich heraus, der pilot ist tot (Offenbar erdolcht von einem Tanksäulen-Zapfhahn, so richtig klar wird das irgendwie nicht, evtl. ein Nonsens-Schnitt für die TV-Fassung) und der Neu-Ehemann hat "bloß ein paar Flugstungen in einer einmotorigen". Kurzer umschnitt auf den B-Plot, ein Regierungsheini ruft seinen Vater an, der auf einem Kreuzfahrtschiff als Klavierspieler arbeitet, um ihm ein letztes mal zu sagen, wie doll lieb er ihn hat.

Zurück zu Cusack: Der macht Nägel mit Köpfen, als der Neu-Ehemann zu dusselig ist, das Flugzeug rechtzeitig zu starten, drückt einfach den dicksten hebel in der mittelkonsole ruckartig nach vorne, feddich ist der Lack. "GEHT DOCH!!!1" denkt nicht nur der Zuschauer. Hinten wieder dasselbe Spiel, bumm bumm brösel brösel, in einem tracking shot wird das herannahende... naja, erdbeben ist das schon nicht mehr, begleiget wie es erst das flugfeld und dann die Landebahn verspeist, gerade rechtzeitig jaulen die motoren hoch und offensichtlich ist das ein innenstädtischer sportflughafen (LA halt, gell?), denn erstmal geht es unter NOCH mehr einstürzenden Neubauten hindurch, auf eine Art und Weise, zu der selbst Bayonetta sagen würde "Voll unrealistisch!". Heidewitzka. Ich hab den dann noch etwas weiter im Hintergrund laufen lassen, bis mich die Werbung zu sehr abgefuckt hat. Oder er vorbei war, ich weiß gar nicht mehr. Aber die Sequenz war schon fun. Wenn du Weltuntergang machst, dann kanste auch gleich unter und durch 90 Bürohäuser mit nem privatjet düsen, go big or go bust.

Das Ende von Zorn der Titanen habe ich... weiß ich gar nicht warum gesehen, bin aber drangeblieben, als ich merkte, dass sich unter all den Moses-Mit-Karl-Drogo-Zopf-Perücken und Unmengen von Anklebebart Oskar Schindler und SS-Hauptsturmbannführer Amon Göth hinself versteckten aka Liam "Liam Neesons" Neeson und Ralph "Räff Feinz" Fiennes. Alter. Dazu noch ein ich nehme mal an klimaktischer Endkampf zwischen zwei ähnlich random pseudogriechisch gesichtsbehaarten Muskulussen, der wahrscheinlich epic wirken sollte, aber rüberkam wie eine mäßig choreografierte Kneipenschlägerei. Hauptmann Göth hingegen hat Oskar Schindler währenddessen in einem Zelt wiederbelebt, quittiert mit dem großartigen Dialog "Du siehst zehntausend Jahre jünger aus!" "Ich fühle mich auch so!", was zu noch mehr Spekulationen führte, wie Fiennes und Neeson wohl am Set während der Drehpausen ihre jeweiligen Karrieren reüssiert haben mussten.

Während ein Vulkanmonster aus dem Boden schießt, dass gar nicht mal so weite Teile der gar nicht mal sooooo schönen griechischen Einöde zerdeppert (Ca. 3 Berge, gähn), während es sich bewegt wie ein 70jähriger bei der Wasseraerobic, fusionieren Schindler und sein Widersacher zu einem Super-Sayajin, indem sie Blitze aus ihren Händen schießen lassen, während der aus der Kneipenschlägerei siegreich hervorgegangene Muskulus auf einem Pegasus mit einem Blitziblitzi-Speer in das Maul des Vulkanmonsterdings fliegt und in dessen Speiseröhre (Wait... what?) den Speer reinmacht und dann ist das Vulkanmonster kapott, aber keine Ahnung was das jetzt mit Liam Neesons und den Blitzen gebracht haben soll. Aber's eh egal, am Ende zerbröselt Liam Neesons rischtisch scheiße zu CGI-Sand in den Armen von Muskulus. Dann gibts noch so ne Szene in nem Lager der Armee, wo Muskulus so ne Alte einfach so wortlos abknutscht und an der Stelle hat RTL einfach den Film ausgefadet, kein Plan ob das jetzt das Ende sein sollte. Aber wahrscheinlich hätte alles Sinn ergeben, wenn ich den ganzen Film geguckt hätte!
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