Barbarian  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 05.12.2012 21:06 Uhr
Thema: Re:98% Antwort auf: Re:98% von dixip
>>Zumindest hört es sich so an, als ob du ihn für erstrebenswert hälst,
>
>...was aber nicht schlimm ist, weil ich Kapitalismus in der Fassung Geld, Geld, Geld und alles frei und jeder soll sein Geld selbst verdienen, vermehren und glücklich sein, natürlich nicht für erstrebenswert halte.


Same here.

>> Ich verbinde mit Kapitalismus eine Eigentumsherrschaft inklusive schleichender Enteignung einer immer größer werdenden Bevölkerungsschicht durch den Zinseszins.
>
>Angesichts von Tagesgeldzinsen von ~1,25% und einer Inflation von ~2,1% passt das doch nur bedingt. Zumal da natürlich immer das Bild des faulen Millionärs mitschwingt, der seine sieben Villen nur mit Zinsgewinnen finanziert hat.


Aber genau das ist das Problem. Ich möchte jetzt nicht den Millionär/Milliardär, der leistungslos Zinserträge kassiert, persönlich angreifen. Denn das System ist das Problem, welches hohe Kapitalakkumulationen begünstigt/belohnt. Der Millionär nutzt das System eben für sich. (Wobei man natürlich der Frage nachgehen müsste, woher sein Geldvermögen stammt. Erbe/Dynastie/selbst verdient etc. Aber das soll jetzt keine Rolle spielen.) Ein gerne genanntes Argument der Neoliberalen ist die Behauptung, dass im System jeder vom Zins profitiert, jeder kann Geld anlegen blabla. Aber ist das wirklich so?

Gewinner des Zinssystems sind nicht etwa alle, die aus irgendwelchen Geldanlagen Zinsen
beziehen, denn diesen „sichtbaren Zinserträgen" sind die jeweiligen Zinslasten gegenüber zu
stellen. Und erst aus der Differenz zwischen beiden ergibt sich ein Bild davon, wer zu den
Gewinnern und wer zu den Verlierern des Zinssystems gehört. Zu den Zinslasten gehören
aber nicht nur die Zinsen, die man zahlen muss, wenn man einen Kredit aufgenommen hat
und die Schulden zu bedienen hat („sichtbare Zinslasten"). Hinzu kommen die in den Preisen
der Konsumgüter verborgenen Zinslasten der Unternehmen bzw. die in den Steuern
verborgenen Zinslasten des Staates, die auf den Endverbraucher bzw. auf den Steuerzahler
überwälzt werden („unsichtbare Zinslasten").

Man schätzt diesen Zinsanteil in Deutschland mittlerweile auf durchschnittlich 40 %. Gewinner des Zinssystems sind demnach nur diejenigen, deren jährliche Zinserträge größer bzw. gleich 40 % ihrer jährlichen Konsumausgaben plus Steuern sind. Und das sind in der Bundesrepublik nur 15 % der Einkommensbezieher: die Reichen und die Superreichen. Für 85 % liegen die (sichtbaren plus unsichtbaren) Zinslasten höher als die (sichtbaren) Zinserträge - sofern es letztere für die unteren Einkommensschichten überhaupt gibt.

Das Mehr in den Händen der 15 % Reichen und Superreichen hat also seine Grundlage in
dem Weniger der 85 % mittlerer und unterer Einkommensschichten. Das bedeutet aber auch, dass es sich beim Zinssystem um eine unsichtbare und tagtäglich unbewusst wirkende Umverteilungspumpe von unten nach oben handelt, deren Wirkung sich
systembedingt immer weiter beschleunigt. Das Zinssystem trägt damit wesentlich zur
Polarisierung der Gesellschaft und zum Anwachsen sozialer Spannungen bei.

Das sind u.a. die wahren Gründe für das Arm/reich-Gefälle oder für die Ausdünnung des Mittelstandes bzw. der Mittelschicht.

>Kapital als Baustein unserer kompletten Volkswirtschaft muss man ja nicht verteufeln. Die vermeintlichen Profiteure einer derartigen, unterstellten Kapitalfreundlichkeit, nämlich die Banken, leiden doch unter strengeren Auflagen (Basel III (?), Eigenkapitalaufstockung usw.), leeren Kassen, immer weniger Anlagemöglichkeiten, weil nichts mehr sicher genug ist).

Fakt ist aber auch, dass Banken auf der Grundlage von 1% Einlagesicherung bei der ZB Geld aus dem Nichts schöpfen können und zwar um genau das Hundertfache. Dieses Geld ist durch nichts gedeckt und bei dieser Geldschöpfung aus dem Nichts wird das Geld, welches für die Bezahlung der Zinsen fällig wird nicht mitgeschafft. D.h. der Kreditnehmer muss es den anderen Teilnehmern irgendwie streitig machen oder, wenn er es nicht schafft, muss er einen neuen Kredit aufnehmen, um Zinsen und Tilgung zurückzahlen zu können.

Man muss kein Mathegenie sein, um zu sehen welche exorbitanten Schulden sich hier seit 1948(dort gab es letztmalig ein Systemreset) durch das exponentielle Wachstum angehäuft haben. Diese Schulden treiben extreme Spannungen hervor (sozial, ökologisch, ökonomisch), da das BIP natürlich mit seinem Wachstum nicht nachkommt. Wie denn auch, es müsste demnach auch exponentiell mitwachsen (haha!). Aber um uns das Märchen vom ewigen Wachstum schmackhaft zu machen veranstaltet man so hirnrissige Sachen wie 'Wachstumsbeschleunigungsgesetz'(WTF?) oder die Abwrackprämie.
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