turzilla  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 25.01.2022 12:53 Uhr
Thema: Re:Archiveintrag, 25.01.2022 Antwort auf: Re:Archiveintrag, 25.01.2022 von PUH
>Schade, ein Stück Tradition und Verbundenheit geht damit weg. (Die Verachtung für "niedere" Tiere ist wohl so ne Generationssache...)
>Als ich Zivi war kannte ich in der Stadt diverse solche Unikate, teils auch in Häusern wo du wusstest, wenn die mal tot sind ist auch das Haus weg und alle Spuren.


Das Haus ist nun relativ neu, ich glaube, das wurde in den frühen 80ern an gleicher Stelle neu aufgebaut. Beim Bäcker hatte es damals gebrannt und beide Gebäude wurden schwer beschädigt. Meine Großeltern hatten hingegen Glück und alles blieb heil.
Geschichten gibt es tatsächlich genug, der Vater der drei Schwestern war im Krieg einarmig geworden und war danach der "Säuhirt". Das heißt, er besaß einen Eber, der die Säue des ganzen Dorfes beglücken durfte. Dazu zog er durch die Gassen, den Eber am Strick und mit einer Art Horn, um auf sich aufmerksam zu machen. Abends band er dann den Eber vor dem Gasthaus an und setzte sich an den Stammtisch. Anscheinend ist er auf dem Heimweg dann öfter in Nöte geraten, einmal soll er sogar samt dem Eber in den Bach gefallen sein. Er ist schon lange tot. Die Mutter hat noch gelebt, als wir eingezogen sind, da war sie aber auch schon sehr alt und etwas verwirrt, eigentlich wie Hilde zuletzt. Ich denke oft, dass es irgendwie schade ist, dass solche Originale aussterben, mit ihnen gehen auch die "Utznamen" und die Dialekte. Ich treffe auf dem Spaziergang öfter einen Mann, er hat einen umgebauten Kinderwagen, mit dem er den Berg zu einem Wiesengrundstück hoch- und wieder runterzuckelt. Der ist auch so ein Original und ist 2019 mit 85 noch ganz alleine nach Saint Maur gewandert.

[https://www.pz-news.de/pforzheim_artikel,-Alleinwanderer-Hubert-Augenstein-in-Pforzheims-Partnerstadt-St-Maur-empfangen-_arid,1361590.html]

Er ist stets freundlich, lacht und bewundert meinen Hund, erzählt mit aber immer, dass er immer lieber ein einsamer Wanderer war. Er war sehr lange aktiv im Radsportverein tätig und ist ein echtes Original. Samstags steht er immer pünktlich gegen 8.00 Uhr mit einem Jutebeutel um den Hals vor der Bäckerei und wartet, bis er drankommt. Genau in dieser gelben Jacke.
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