michelangelo99  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 21.07.2010 10:15 Uhr
Thema: Auch durch (spoilerfrei) - GOTY Antwort auf: Red Dead Redemption - Stormin' town 04-2010! von der rademacher
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen, und das Ganze dabei doch so groß machen.

Mit "kleinen Dingen" meine ich z. B. jenen Officer, der in meine Richtung schlendert, als ich mir gerade ein neues Revolverblatt(!) in Armadillo kaufen will. Mein Spielfortschritt liegt bei 99,9%, und ich bin auf der Suche nach der letzten Kopfgeldmission. Mexico habe ich komplett abgegrast, totes Land, da gibt es für mich nichts mehr zu holen. In Blackwater und ganz New Elizabeth grüßt mich inzwischen jeder Grashalm und alles, was irgendwie laufen kann. Kopfgeldmissionen gibt’s hier auch nicht mehr, die Stadt ist sauber, es gibt hier kein Verbrechen mehr. Jeder fürchtet offenbar die Legende des Westens.

Besagter Officer in Armadillo ist es dann also, der auf mich zukommt und dann das tut, was ich so zuvor im Spiel noch nicht gesehen hatte. Er holt einen gefalteten Zettel aus seiner Hosentasche, aus der anderen holt er Hammer und Nagel, entfaltet den Zettel und nagelt diesen damit an die Wand. Es ist ein Steckbrief. Nicht irgendein Steckbrief, sondern DER Steckbrief, das letzte Krümelchen des großen 100%-Kuchens der Welt aus Red Dead Redemption. Es ist, als ob das Spiel mir persönlich sagen will: "Hier, nimm es und beende es. Hier und jetzt."

Die Gang hält sich irgendwo in Hennigan’s Stead auf, am großen Wasserfall. Ich reite gemächlich los, es ist früher Morgen und ich sauge noch einmal die Stimmung auf. Unterwegs stoppe ich einen Kutschendieb, zelebriere das Vorgehen. Das Lasso fliegt, der Dieb reißt die Arme hoch und wird aus der fahrenden Kutsche gewuchtet. Ich lasse an diesem Morgen die Waffe vorerst ruhen und fessle den Halunken. Dankbar überreicht mir der Farmer und Kutschenbesitzer stolze 6 Dollar, die mühelos ihren Weg in meine Westentasche zu den übrigen 8500 Dollar finden. Von nix kommt schließlich nix.

Das Bandenversteck am Wasserfall hebe ich ebenso mühelos wie intensiv aus. Jeder Gegner bekommt sein eigenes kleines, rotes aber tödliches Kreuzchen im Dead Eye Modus serviert, gefolgt von einem kleinen blauen Böhnchen als Nachspeise. Das Hauptziel landet gefesselt auf dem Rücken meines Gauls, und ich trete mit ihm die letzte -offizielle- Reise an, die ich in der Einzelspielerkampagne von Red Dead Redemption vor mir habe.

Mein Ziel ist die McFarlane Ranch, hier soll ich den Gefangenen abliefern. Ich kehre also -unter zaghaftem Beschuss versprengter Gangmitglieder- zurück dorthin, wo alles begann, zurück auf Bonnie’s kleine Farm. Hier habe ich mein Handwerk gelernt, habe mich früher noch gefragt, warum ich so langsam gehe, wie ich nur über den kleinen Zaun springen soll, warum sich alles so schwerfällig anfühlt und ich mit meiner Waffe kaum was treffe. Als strahlender Held, der mit seinem Gewehr quer durch die Steppe einem Rudel Kojoten die Hoden rasieren könnte, lächele ich heute nur noch darüber und liefere den Mistkerl an der Station ab. 100% Spielfortschritt, 80 Dollar und 100 GS Kopfgeld erhalte ich vom örtlichen Gesetzesvorsteher. Mission erfüllt.

Ich wende mein Pferd langsam ab und lasse die McFarlane Ranch hinter mir. Noch einmal reite ich gen Westen. Mein Ziel ist ein kleines, lauschiges Plätzchen irgendwo am Rio Bravo. Dort soll es schöne Sonnenuntergänge zu bestaunen geben...

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen, und das Ganze dabei doch so groß machen.
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