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| Thema: Making TV History | Antwort auf: Ich liebe Fernsehen - Popstars & Lotta in Love für alle! von Sascha | |
| OK, folgendes: Bill Lawrence ist ein aufgewecktes Kerlchen. Muss er auch sein, denn sein Broterwerb ist gesichert durch das Erfinden und Schreiben der durchaus erfolgreichen Comedy Scrubs, nach zwei Anlaufversuchen unter ausschluss der Öffentlichkeit mittlerweile auch in Deutschland ein Erfolg. Aber fangen wir gar nicht erst mit Deutschland an, bleiben wir in dem Land, das uns TV-Mäßig immer noch mindestens anderthalb Jahrzehnte vorraus ist. Was nicht heißen soll, das Amerikaner nicht auch Probleme hätten mit der Rückständigkeit ihres liebsten Mediums. Das Fernsehen kreiert zwar Output nie dargewesener Qualität und kriegt dadurch auch Zuschauer, aber eben auch ein Problem mit sich selber, das der ein oder andere hier bereits bemerkt haben dürfte: Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es schwerfällt, zehn weekly Sendungen zu verfolgen und nebenbei noch etwas anderes zu machen als Fernzusehen (Als Stichprobe nehme ich jetzt mal mich als Beispiel her, hier die Serien, die ich diese Season mehr oder minder verfolgt habe, nach besten Kräften: - Lost - 24 - Prison Break - American Dad - Huff - The Wire - The West Wing - Weeds - The Shield - Entourage - Arrested Development - House etc., die ganzen erfolglosen Versuche, Serien etwas abzugewinnen, nicht mitgezählt (E-Ring, Commander in Chief, The Unit...) Dabei blieben auch manche Dinge liegen, Desperate Housewives oder das sicher superinteressante Big Love, die Sopranos sind an mir nach drei Folgen vorbeigerauscht, ich hab mich nicht mehr aufraffen können (meine Freundin schon, weil sie die Sopranos offenbar mehr lieb hat als ich (nicht mich!)), es geht halt nicht so viel Output als Input auf einmal in so einen Menschen rein. Wie mein Leben aussehen würde, wenn ich in Amerika leben täte (hähä, Grammatik my ass!), es wäre der Horror. Ich würde wohl jeden Tag nach 19 Uhr das Haus nicht mehr verlassen. Jedenfalls sind die meisten Amerikaner nicht wie ich. Die Networks verlieren, oft mit richtig guten Piloten, vor den Zuschauern, weil einfach im Vorfeld zu wenig interesse generiert werden konnte. Die Networks (damit meine ich das, was hierzulande als "Free TV" bezeichnet wird) klagen allgemein über rückläufige Zuschauerquoten, man kriegt das Geld eben nicht so leicht rein, selbst wenn man es mit grandioser Arbeit verdienen will. In Amerika haben sich andere Vertriebskanäle neben dem Fernsehen sehr schnell sehr gut entwickelt, zum Beispiel der Festplattenrecorder TiVo, Serien-iPod und Anti-Werbe-Fee in einem, die DVD und das Internet. Beides hat das Fernsehen erstmal genauso wahrgenommen, wie die Musikindustrie: Oh Gott, Feind, weg weg! Man sah erstmal seine eigenen Felle davonschwimmen, bevor man sich daran machte, darüber nachzudenken, wie man das Medium gar zum eigenen Vorteil nutzen könnte. Aber es geschahen Zeichen und Wunder, und so sattelte auch das Fernsehen auf die momentan einfach konkurrenzlos gute Vertriebsplattform iTunes, und man konnte sich Lost-Folgen kurz nach der Erstausstrahlung auf den Rechner laden. Dieser Vertriebsweg umgeht sogar die DVD, welche eigentlich ganz gut den immer schneller werdenden Verwertungszyklen folgen konnte - akzeptiert vom Fernsehen durch den beträchtlichen Zusatzverdienst. In Deutschland auch passiert: Stromberg wird im Grunde nur noch für die DVDs gemacht, die wirklich scheißgut weggehen. Im Fernsehen wollen es nicht ganz so viele sehen, wenn man Pro7 ein bischen kennt, darf man sich schon wundern, das diese vom Publikum im TV eher geschmähte Sendung so viel Rückendeckung genießt, das es mittlerweile eine dritte Staffel geben wird. Nichtsdestotrotz: Fernsehen, Amerika, Vertriebswege, Internet. Escobar und PUH und so sagen ja immer, das ich viel schreibe aber nix sage. Wer jetzt noch mitliest, zwei Zeilen weiter oben steht so das drin, worauf ich hinaus will. Bin ich fertig? Noch lange nicht! Weiß ich überhaupt noch, wie ich meinen Text begonnen habe? Findet es raus! (Die Antwort lautet ohne nachzugucken: Ja, verdammt! Wer bin ich denn!) Family Guy wurde nach der Absetzung von Fox wieder aufgenommen, nachdem die DVD-Verkäufe durch die Decke ballerten. Nerds mit ihren schön gepflegten Online-Petitionen hätten an der Stelle eigentlich Grund gehabt zu weinen, denn das Portemonnaie ist doch gewichtiger als das Posting eines dicken Nerds. Dann gibt es beispielsweise andere Serien wie Lost, Desperate Housewives, 24 und Entourage, die ihre eigentliche Serie durch Mobisodes und Webisodes erweitern: Bei Entourage kann man sich mit einem Verizon-Handy in Amerika mit einem speziellen Abo wöchentlich etwa sechsminütige Episödchen runterladen, in denen Johnny Drama die Hauptrolle spielt. Webisodes sind dasselbe Prinzip, aufs Internet angewendet. Und wer mag das Internet? Genau, Bill Lawrence! Der Erfinder von Scrubs! Warum mag er das Internet? Das kommt so: Bill Lawrence hatte vor etwas über anderthalb Jahren die Idee einer Serie gepitcht (oder auch nicht, vielleicht haben sie nach Scrubs einfach nur noch auf ihn gehört, anstatt sich überzeugen zu lassen), in der es zum zwei Knaller geht, die sich dabei filmen, wie sie eine Sitcom erfinden. Allein das ist schonmal was, wo man stutzen muss, weil die doppelt- und dreifachbödigkeit des formats tatsächlich etwas schwindelerregend ist: Man sieht eine Sitcom über zwei von aktuellen Sitcoms genervte Typen, die versuchen, eine Sitcom zu schreiben und diese ans Fernsehen zu verkaufen. Von ihrem Haus in Ohio aus. Als Fake-Reality-TV. Aber ich fand und finde immer noch meine Idee toll, eine Telenovela zu machen, die am Set einer Telenovela spielt. Als ich obige Idee mit der Telenovela einem Serienautoren erzählte, der seinen Job mittlerweile auch ein gutes Jahrzehnt lang macht, kriegte ich den Hinweis mit, das die Medien sich sehr ungerne selbst als Objekt der Fiktion wiederfinden. Mag es mit Flops zu tun haben oder einem allgemeinen Unbehagen darüber, die eigene Arbeit parodiert zu finden, sei es wie es sei, meine Serie wurde wie die von Bill Lawrence abgelehnt. Allerdings hat Bill Lawrence mehr gehabt als eine lustige Idee, der Pilot war schon fertig und ein paar Bücher bestimmt schon auf Halde, aber "The WB", der Sender von Gilmore Girls und Smallville, der die Show geordert hatte, gab nach dem Piloten kein grünes Licht, das ganze in Serie gehen zu lassen. Das war im Herbst 2005. Im Sommer 2006 taucht das Video bei youtube wieder auf - legal, da Warner eine Medienpartnerschaft mit der Plattform eingegangen ist, alles ist abgesegnet, das Video darf da stehen, ist ohnehin nur ein unversendeter Pilot, hätte also ehg kein Mensch je zu sehen bekommen. Hätte. Denn jetzt hatte das Video bei youtube so einen erfolg, das sich The WB genötigt sah, die Serie doch irgendwie zu machen. NBC oderte Bücher für Folgen von "Nobody's Watching", und während ihr hier noch vor der Kiste sitzt und euren letzten Betthupferl-Aquavit in euch hineingiesst, endlich nach langen Stunden schier endlosen Lesens, der Link: [http://www.youtube.com/watch?v=uEYCN3hVTYI&search=nobodys%20watching] Jetzt, wo keiner mehr da ist, kann ich ja nochmal ungeniert auf die Großartigkeit meiner Überschrift verweisen: Es geht um nichts anderes, als durch das angucken dieses Videos weiterhin unter beweis zu stellen, wie toll das Internet ist, und das das Fernsehen ruhig öfter mal solche Sachen machen könnte wie mit Nobody's Watching. Man kann noch so viele Test-Audiences kaufen, man hat im Grunde nur das Feedback seines eigenen, handverlesenen Publikums und keine rational statistisch verwertbare Info, auch wenn man sich das selber gerne vorlügt. In Amerika ist schon zu sehen, das man daran arbeitet, über neue Vertriebswege zu gehen. Das Fernsehen wird in den nächsten zwanzig Jahren einiges an Einfluss verlieren, jetzt, wo die Zuschauer sich ihren Programmplan faktisch selber gestalten. Man wird das sehen, was man will und wann man will, und braucht sich nicht ärgern, wenn man eine Stunde zu spät vom Abendessen zurückkam und vergessen hat, den Videorekorder anzumachen. Das ganze Internet ist dein Videorekorder, und du musst nichtmal selber Aufnehmen. Diesen Komfort legal und erschwinglich zu machen ist eine notwendige und gar nicht mal soooo schwere Herausforderung für die Networks. Und bei manchen sachen habe ich auf kein Problem damit, es nicht in HDTV zu sehen, sondern bei youtube. Was wiederum andeutet, was uns dabei an Nachteilen blühen kann: Kleinstformatierte, schnell konsumierbare Kurzserien, wo eine Staffel aus zwanzig Webisodes besteht mit 6 Minuten pro Folge. Heissa Hoppsassa, das wäre die Hölle. Man wird sehen, wie schrecklich oder herrlich die Welt ohne oder mit weniger Fernsehen sein wird. |
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